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Rezension Cast-CD:
„Tommy" 

cd tommyLinzLive-Aufnahme aus dem Landestheater Linz
Erscheinungsjahr: 2015
Spieldauer: 105 Minuten (Doppel-CD)


Harmloses Entertainment ist es beileibe nicht, was „The Who“-Mann Pete Townshend, seine Bandkollegen Keith Moon und John Entwistle sowie Librettist Des McAnuff konzipiert haben:

Der kleine Tommy wird Augenzeuge, als sein unerwartet aus dem Krieg heimkehrender Vater den neuen Freund der Mutter tötet. Schwer traumatisiert zieht sich Tommy in sein Innerstes zurück, hört auf zu sprechen, wehrt sich nicht gegen Übergriffe von Onkel und Cousin und lässt die skurrilsten Heilungsversuche widerspruchslos über sich ergehen. Der Weg zurück in die Normalität ist lang.

Gil Mehmerts Inszenierung von „The Who’s Tommy“ am Landestheater Linz, die im April 2015 Premiere feierte, gibt es nun als Live-Gesamtaufnahme auf Doppel-CD, produziert von Martin Böhm und Ludwig Coss. Gesungen wird auf deutsch (Übersetzung: Sabine Ruflair), was vor allem bei weltbekannten Zeilen wie „Pinball Wizard“ oder „See me, feel me“ etwas sperrig anmutet. Man gewöhnt sich aber daran und letztlich ist es so auch einfacher, die teils extrem schnell ablaufende Handlung zu verfolgen. Die Textverständlichkeit ist größtenteils gut, die Inhaltsangabe mit Songzuordnung im mit Szenenfotos bebilderten Booklet führt als roter Faden durch das Geschehen.

Der Sound ist fast ein wenig zu clean abgemischt für eine Liveaufnahme dieser rockigen Partitur, die von der Band mit großer Dynamik umgesetzt wird. Melodiebrüche innerhalb eines Titels, beispielsweise bei „Einundzwanzig“, folgen dem dramatischen Verlauf. Bei „Sparks“ verdeutlichen treibende Schlagzeugrhythmen eindringlich Tommys Traumatisierung. Keyboard- und Gitarrenriffs treten pointiert hervor, wenn die Geschichte die besondere Aufmerksamkeit des Zuhörers erfordert, um sich nach Auflösung des Spannungspunktes wieder mit der Gesamtinstrumentierung und den Singstimmen zu verbinden. Die Ensemblenummern punkten mit eingängigen Harmonien und alle Akteure charakterisieren mit der gesanglichen Interpretation ganz klar die jeweilige Rolle.

Rob Pelzer betont die metallische Facette seiner Stimme und klingt dadurch als Onkel Ernie richtig fies und hinterhältig, in der Missbrauchsszene ebenso wie im „Holiday-Camp“. Provokant herausgepresste Töne, unterstützt von hörbarem Atmen - bei Konstantin Zander fühlt man förmlich Cousin Kevins pure, offen zur Schau getragene Lust an der Gewalt. Anastasia Bain gibt eine schrill-schillernde, explosive Acid Queen und Barbara Obermeier ebenso überzeugend den überdrehten Fan Sally Simpson.

Als Tommys Vater Captain Walker beweist Alen Hodzovic mit seiner Interpretation viel Einfühlungsvermögen und begeistert mit locker geführter, klangschöner Stimme. Auch Daniela Dett wird ihrem Part in allen Nuancen gerecht. Mit viel Gefühl singt sie als Mrs. Walker die Duette mit Liebhaber (auffallend klarer Tenor: Jens Petter Olsen) und Ehemann, beschwörend spricht sie auf Tommy ein und verdrängt erfolgreich „dass ich da etwas überseh“. Aggressiv und durchdringend wird ihre Stimme, als sie den Spiegel zerschlägt, in den Tommy permanent starrt.

Riccardo Greco in der Titelrolle versteht es meisterhaft, seinen Stimmklang analog zu Tommys Bewusstseinsebene zu variieren. Beim immer wiederkehrenden Motiv „Seht mich, spürt mich“ klingt er fast zerbrechlich – dies passt hervorragend zum Zustand des völlig verstörten Kindes. Druckvoller singt Greco immer dann, wenn Tommy beginnt, sich aus seinem Gedankengefängnis zu befreien, vor allem bei „Das Feuer“ und „Ich bin frei“.

Schon aufgrund der Thematik rund um Gewalt und Traumatisierung ist „Tommy“ keine CD, die sich als Hintergrundmusik eignet. Die Linzer Aufnahme erfordert und verdient eine konzentrierte Beschäftigung mit dem Stück und belohnt dann mit einem intensiven Hörerlebnis.

Text: Sylke Wohlschiess

CD-Tracklist

  • Ouvertüre
  • Ein Sohn
  • Einundzwanzig
  • Wunderreise
  • Sparks
  • Weihnacht
  • Seh mich, spürt mich!
  • Ist es wirklich okay?
  • Fummel herum
  • Cousin Kevin
  • Das Feuer
  • Blinde können sehen
  • Acid Queen
  • Flipperkönig
  • Ein Arzt in der Stadt
  • Schau dich im Spiegel an
  • Ich glaub,', was ich seh'
  • Soll ich ihn zerstören?
  • Ich bin frei
  • Wunderheilung
  • Tommy's Holiday-Camp
  • Sally Simpson
  • Willkommen
  • Das woll'n wir nicht hören!
  • Finale

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