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Perfekte Symbiose:
Konzert - Rezension „Klangbilder“ in Füssen

„Eigentlich war eine Vernissage geplant“, so Peter Samer, Fotograf und Initiator der „Klangbilder“-Gala am 17. März 2012 im Festspielhaus Füssen. Aber „bloß nicht die üblichen Ansprachen, Häppchen und belanglosen Reden“. „Mein Wunsch war“, so der Füssener Fotograf weiter, „dass sich das Publikum auf die Emotionen einlässt, die Fotografie auslösen kann. Musik verstärkt Emotionen – was also lag näher, als „Klang“ und „Bilder“ zu vereinen?“ So entstand unter der künstlerischen Leitung von Janet Chvatal das Konzept für eine Gala, die ausdrucksstarke Fotografien mit gesanglichen Meisterleistungen zu einem wahrhaft außergewöhnlichen Erlebnis für Auge und Ohr verschmelzen ließ.

klangbilder 02Los geht es in der Heimat: Aus Allgäuer Bergwiesen lachen Mädchen von der 10 x 22 Meter großen Leinwand.

Nach Janet Chvatals „Hör das Echo“ trägt Marc Gremm einen Koffer auf die Bühne - die musikalische Reise um die Welt kann beginnen. Zunächst geht es nach Bella Italia. Bilder aus Rom, den Vatikanischen Gärten und Venedig begleiten das Medley aus bekannten italienischen Melodien. Das Zusammenspiel beider Stimmen gefällt bei „O Sole mio“ und „Santa Lucia“ ebenso wie bei „That’s Amore“, das stilecht mit Bildern küssender Paare in Szene gesetzt wird.

In gewohnt charmanter Weise begrüßen die Gastgeber das Publikum und stellen per Videobotschaft die Organisation vor, deren Jubiläum mit dieser Gala gefeiert wird: Uneson, eine gemeinnützige Stiftung unter Leitung von Jasmin I. Sahin, die mit kreativen Projekten Kinder aus aller Welt zu Toleranz und einem friedlichen Miteinander anleiten möchte. Bereits 17.000 Kinder aus 16 Ländern – auch aus der Füssener Gegend - haben sich Gedanken zum Thema Frieden gemacht und Stoffquadrate bemalt, die zu einem riesigen Friedensmantel zusammengefügt werden. Stimmig schließt sich auch musikalisch ein eher nachdenklicher Moment an, mit dem der erste Gaststar die Bühne betritt: David Moore.

Mit beeindruckendem dramatischen Tenor und ungewöhnlichen Variationen der Melodie von „The impossible Dream“ aus dem Musical „Man of la Mancha“ nimmt David Moore das Publikum mit ins Spanien des Don Quijote. Unter die Haut geht schon der Beginn mit sanften, teils gehauchten Tönen. Im Crescendo zeigt Moore sein nahezu grenzenlos erscheinendes Stimmvolumen - einfach grandios! Die Darbietung gewinnt noch an Eindringlichkeit durch Fotos armenischer Schulkinder und Videosequenzen einer Rede von John F. Kennedy.

Außer diesen wenigen historischen Aufnahmen stammt alle ca. 1.200 Bilder des Abends aus den Kameras von Peter und Daniel Samer. In mühevoller Kleinarbeit wurden jeweils zu den Inhalten der Lieder passende Fotos wie kleine Videosequenzen hintereinander geschnitten. Die durchdachte Beleuchtung und auch die jeweils passende Garderobe der Künstler verstärkt in jeder einzelnen Szene noch den Eindruck realer Kulissen, dabei sind außer zwei Barhockern und einem Koffer keinerlei Requisiten im Einsatz.

Gleich im Anschluss folgt ein weiterer emotionaler Höhepunkt: Janet Chvatal singt im Duett mit ihrer Tochter Naia die Ballade „Fly with me“ aus dem schwedischen Film „Wie im Himmel“. Mit bezaubernder Schüchternheit betritt die 14-Jährige die Bühne, um mit jedem gesungenen Ton sicherer zu werden. Kaum zu glauben, dass dies nicht nur ihr erster öffentlicher Auftritt ist, sondern dieser auch eher zufällig zustande kam. Janet Chvatal beginnt mit ihrem klaren Sopran, der in diesem Moment fast schwerelos anmutet. Dann übernimmt Naia die Leadstimme und überrascht mit einer in den Ansätzen leicht rauchigen Stimme, klangschön und mit hohem Wiedererkennungswert. Ihre Interpretation erinnert stilistisch an Countrymusik. Im Duett verschmelzen die Stimmen von Mutter und Tochter zu wunderbaren Harmonien.

klangbilder 05Nach dem Duett „The Rose“ von Marc Gremm und Janet Chvatal - bebildert mit Makroaufnahmen blühender Rosen und mit stimmlicher Unterstützung von 150 Kindern - war es Zeit für den zweiten Gast. Freddy Sahin-Scholl, „Supertalent“-Gewinner des Jahres 2010, trug das von ihm komponierte „Carpe Diem“ vor, das sowohl Sopran- als auch Baritonpartien enthält. Ungläubiges Staunen im Zuschauerraum – ist es doch etwas anderes, ob man eine TV-Show anschaut oder sich live vom ungewöhnlichen Talent dieses Sängers überzeugen kann – und begeisterter Beifall für den „Mann mit den zwei Stimmen“.

Nun kommt bei „Kalte Sterne“ kommt Marc Gremms klassischer Bariton zur Geltung. Aufnahmen von Sternschnuppen, Bergen und vom Schloss Neuschwanstein schaffen den passenden Rahmen. Gremm glänzt als König und interpretiert das große Solostück aus „Ludwig²“ mit viel Gefühl, eindringlicher Gestik und schöner Stimme.

Wer genau hinschaut, sieht nun auf der Großleinwand die Worte „Kings and Queens“ aufblitzen. Es geht nach England. Das Queen-Medley beginnt mit „The Show must go on” - was Liebhabern des unvergessenen Ludwig-Musicals Raum für Spekulationen lässt. Und David Moore, der doch nach eigener Aussage „mehr Charmeur als Rocker“ ist, reißt das Publikum von den Sitzen. Niemand lässt sich zweimal bitten, als der Mann mit der faszinierenden Stimme zum Aufstehen und Mittanzen auffordert. Bei solch überwältigender Bühnenpräsenz verzeiht man gerne auch ein paar Texthänger.

Nach der Pause geht die musikalische Weltreise weiter, die Koffer werden in Afrika abgestellt und der Kinderchor hat seinen zweiten Einsatz. „Can you feel the Love tonight“, gesungen von Janet Chvatal und David Moore, wird untermalt von eher dunkel gehaltenen Aufnahmen aus Ruanda, die auf der Videoleinwand mit den bunten Shirts der Kinder auf der Bühne zu einer Einheit verschmelzen.

Ein Zwischenstopp in Frankreich führt ins „Moulin Rouge“. Mit „Come what may“ berühren Janet Chvatals glockenklarer Sopran und David Moores facettenreiche Tenorstimme gleichermaßen, bevor die einmaligen Landschaftsaufnahmen aus Island und Norwegen ihren großen Einsatz haben. Bis ins Detail durchdacht sind alle Einblendungen, in jeder Szene sind Bilder und Musik perfekt aufeinander abgestimmt. So auch bei „You raise me up“, das von David Moore mit viel Gefühl und Power präsentiert wird. Am Anfang des Liedes werden Wasserfälle in schwarz-weißen Bildern gezeigt. Die Dramatik des Songs nimmt zu und beim dritten – deutsch gesungenen – Refrain explodieren dann auch die Aufnahmen in wahrer Farbenpracht. Teilweise ist die emotionale Dichte aller Elemente so überwältigend, dass man kaum alles auf einmal erfassen kann.

klangbilder 16Im Rahmen dieses Programms erscheint es thematisch nicht ganz passend, aber Transsylvanien und die „Unstillbare Gier“ dürfen nicht fehlen. Vor geheimnisvoll-schaurigen alten Grabsteinen steht Graf von Krolock in eisblauem Licht und durchleidet die Qualen der Ewigkeit. Marc Gremm liefert sowohl schauspielerisch als auch stimmlich erneut eine bravouröse Leistung ab.

Auf Argentinien – Janet Chvatal mit „Don’t cry for me Argentina“– folgt Hawaii: Freddy Sahin-Scholl mit seiner Eigenkomposition „No Man’s an Island“. Zwar ist sein stimmlicher Vortrag einwandfrei, aber im Vergleich erscheint Sahin-Scholl doch eher blass und er bleibt unter den übrigen Akteuren des Abends ein wenig isoliert. So stehen denn auch Marc Gremm, David Moore und Janet Chvatal ohne ihn unter einem extrem realistisch wirkenden Feuerwerk und intonieren „Que Sera Sera“, nachdem Marc Gremm mit seiner Partnerin Janet Chvatal zuvor noch flott durch die Lichter der Großstadt „New York, New York“ und dem Ende einer großartigen Show entgegengetanzt ist.

Im Finale kommt jetzt auch der eigens für diese Show angefertigte Teil des Friedensmantels zum Einsatz, der zu den Klängen von „All the Children of the World“ aufgezogen wird. Das Schlussbild - der Komponist des Uneson-Liedes Freddy Sahin-Scholl gemeinsam mit Kinderchor und allen übrigen Künstlern – beeindruckt durchaus, jedoch erstaunt die Tatsache, dass es als Zugabe nur eine Wiederholung von „Carpe diem“ gibt.

Während das Publikum noch mit Standing Ovations die Künstler des Abends – Sänger und Fotografen – feiert, geht bereits das Licht an und lässt die ca. 1.000 begeisterten Zuschauer etwas ratlos stehen. Aber auch die gelungenste Show braucht etwas, das beim nächsten Mal verbessert werden kann. Wohl jeder, der diesen einmaligen Abend miterlebt hat, würde sich freuen, wenn die Koffer bald wieder gepackt werden.

Text: Sylke Wohlschiess

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... und hier noch ein paar fotografische Eindrücke:

 

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