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Interview mit Thomas Borchert:
Es muss spannend bleiben

Thomas Borchert zählt seit Jahren zu den bekanntesten Musicaldarstellern im deutschsprachigen Raum und stand auch schon im Londoner West End auf der Bühne. Er verkörperte zahlreiche Rollen wie beispielsweise Lucheni und den Tod in "Elisabeth", Jean Valjean in "Les Misérables", die Titelrollen in "Das Phantom der Oper" und "Jekyll & Hyde" sowie Graf von Krolock in "Tanz der Vampire". Außerdem überzeugt der vielseitige Künstler immer wieder mit seinen unterschiedlichen Soloprogrammen. Nun führt ihn sein Engagement als Maxim de Winter in "Rebecca" zum ersten Mal in die schwäbische Landeshauptstadt.

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Sie spielen den Maxim de Winter im Musical „Rebecca" parallel auch in St Gallen, einem im Fach Musical sehr renommierten Stadttheater. Wo liegt für Sie als Künstler der Unterschied zu einer großen En-suite-Produktion?

Es gibt keinen. Außer eben, dass das eine Reperoire, das andere En-suite ist. Aber von der Güte und Qualität her gibt es keinen Unterschied. Die Inszenierung ist die gleiche, es ist die gleiche Regisseurin, es ist das gleiche Bühnenbild. Auch in St. Gallen wird sehr, sehr professionell gearbeitet. Ich hatte ja zuletzt die Ehre, dort die Titelrolle in „Der Graf von Monte Christo" zu spielen. Das Stück wurde mir von Frank Wildhorn selbst auf den Leib geschrieben, was mich natürlich mit sehr viel Stolz erfüllt. Auch mit dieser Produktion wurde enorm viel auf die Beine gestellt. Was die in St. Gallen machen, kann locker international mithalten.

Ist es also nicht nötig, die beiden Produktionen gedanklich zu trennen?
Natürlich werden sich hier in Stuttgart andere Dinge entwickeln als in St. Gallen. Für mich wird es sehr spannend, die Rolle an zwei verschiedenen Orten mit verschiedenen Bühnenpartnerinnen zu spielen, die ja ihre Rolle auch jeweils autark entwickeln sollen. Es wird also durchaus so sein, dass beides sich unterscheiden wird. Darin sehe ich sogar einen besonderen Teil der Herausforderung, denn ganz identisch kann es ja gar nicht sein. Die Menschen sind andere und auch rein technisch betrachtet wird es interessant werden: Angenommen, ich komme gerade von einer Stuttgarter Vorstellung nach St. Gallen. Hier bin ich es gewöhnt, in einer bestimmten Szene von links aufzutreten, dort muss aber von der rechten Seite kommen.

Der Unterschied liegt demnach eher in den Ablaufdetails als in der Interpretation der Figur?
Genau. Außerdem natürlich auch darin – und das finde ich wirklich spannend – sich immer wieder neu auf den Bühnenpartner einzustellen. Das ist auch etwas, was man bei jeder Form von Theater können sollte. Wenn man als Schauspieler auf der Bühne steht, ist es sehr, sehr wichtig, dass man jeden Abend versucht, alle Emotionen immer wieder ganz neu und ganz frisch zu erleben. In diesem Fall wird mir dabei die Tatsache sogar helfen, dass ich mich ja immer wieder neu auf die jeweils andere Partnerin einstellen muss. Und darauf freue ich mich tatsächlich sogar ganz besonders.

Haben Sie die Romanvorlage zur Vorbereitung genutzt? Oder die Hitchcock-Verfilmung? Oder vielleicht bewusst keins von beiden?
Bei mir ist es so, dass ich alle Informationen die ich kriegen kann aufsauge wie ein Schwamm. Natürlich habe ich mich vorbereitet, indem ich das Buch gelesen habe. Oder besser gesagt: wieder gelesen habe. Ich habe den Roman vor Jahren zum ersten Mal gelesen und war schon damals fasziniert von der Geschichte. Es ist zudem wirklich ein irrsinnig gut geschriebenes Buch. Es hat genau die Qualität, die jetzt auch das Musical hat: Es ist unterhaltsam, liest sich gut und leicht, ist aber dennoch nie flach, es hat einen Anspruch an den Leser und hält einen gefangen. Das Buch ist für mich das Wichtigste, weil es die Quelle ist. Was den Film angeht: Ich habe zwei Verfilmungen gesehen, aber ich vermeide es jetzt, sie mir nochmal anzuschauen, denn sie würden meine Darstellung beeinflussen. Und das möchte ich nicht. Ich möchte ganz frei an die Rolle herangehen.

Maxim de Winter ist ein zwiespältiger Charakter. Was meinen Sie: Ist er eher gut oder eher böse?
Das kann man so nicht sagen. Wir sprechen ja hier nicht von „Jekyll & Hyde". Nein, er ist nicht böse, das ist das falsche Wort. Der Mann ist gebrochen. Er ist jemand, der ganz Schreckliches erlebt hat. Er trägt eine Schuld mit sich, und es ist wahnsinnig schwer für ihn, mit dieser Schuld zu leben. Er trägt dieses dunkle Geheimnis mit sich herum und ist deshalb gefangen. Er ist nicht frei. Dann trifft er auf die „Ich". Er trifft sie und sieht bei ihr und mit ihr die Chance, zu vergessen. Sie ist frei, sie ist genau das Gegenteil von ihm, unschuldig und frei. Sie ist immer geradlinig. Er sieht das und ist davon entzückt, weil es ihn erstens ablenkt und er zweitens so etwas nicht gewohnt ist. Die Gesellschaft, in der er sich bewegt, besteht aus Masken und Lügen. „Ich" dagegen ist ehrlich und geradeheraus. Er hat so etwas lange nicht mehr oder eigentlich noch nie erlebt. Wenn überhaupt, dann als Kind – vermutlich aber nicht einmal da, weil er auch schon in diesen Zwängen aufgewachsen ist. Letzten Endes befreit sie ihn. Das heißt, die Worte „gut" und „böse" würde ich hier gar nicht benutzen wollen. Überhaupt nicht. Sie sind falsch. Das Tolle ist ja, dass es das Musical schafft, eben nicht schwarz-weiß zu sein, auch nicht das Buch, auch nicht die Filme. Und da ist genau die Herausforderung: Es muss für das Publikum spannend bleiben bis zum Ende, vor allem auch für diejenigen, die die Geschichte noch nicht kennen. Was ist mit diesem Mann? Was ist da los? Was hat der getan? Diese Spannung herauszuarbeiten, wird eine wichtige Aufgabe, auf die ich mich sehr freue.


Interview: Sylke Wohlschiess


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