Rezension Solo-CD
"The Private Session" - Brigitte Oelke
Erscheinungsjahr: 2015
Spieldauer: 49 Minuten
Wenn sich der Klang einer brillanten Stimme mit dem Klang von Akustikinstrumenten verbindet, entsteht "ungestört" durch elektronische Verstärkung oftmals ein ganz neues Hörerlebnis. So auch bei Brigitte Oelkes Solo-CD "The Private Session – Musicals Vol. 1".
Eine Scheibe zum nebenbei Anhören ist "The Private Session" nicht. Allein die ungewöhnliche Songauswahl erfordert ein Sich-Einlassen und wirkliches Zuhören. Dann aber spürt man die außergewöhnliche Intensität dieser CD-Produktion, die besondere Grundstimmung zwischen Nachdenklichkeit, Dankbarkeit und Lebensfreude. Fast ist es so, als würde man die Künstlerin bei einem Streifzug durch die letzten 20 Jahre begleiten und sowohl fröhliche als auch traurige Momente miterleben.
Es erklingt eine ansprechende Mischung aus Balladen, Rocksongs und jazzigen Nummern, von denen vier in deutscher Sprache, die übrigen zehn auf englisch gesungen werden. Fast noch mehr als die zahlreichen wenig bekannten Stücke überraschen alte Bekannte in neuem Stimmgewand: "Der letzte Tanz" und "Heaven on their Minds" gibt’s in diesem Fall von einer Frau.
Brigitte Oelke durchlebt Judas' gesamte Gefühlspalette und lässt mit extremer Phrasierung dessen verzweifelter Wut und Anklage freien Lauf. Die tiefen Töne beim Solo des Todes aus "Elisabeth" demonstrieren ihren beeindruckenden Stimmumfang und ihre enorme stimmliche Wandlungsfähigkeit, gerade auch im Gegensatz zu den jung und sehnsuchtsvoll klingenden "Da war einst ein Traum" aus "Jekyll & Hyde" und "Ich hab‘ geträumt vor langer Zeit" aus "Les Misérables". Die hohen Töne fließen leicht und mühelos und Brigitte Oelke zeigt, dass sie bei weitem nicht nur rockig und rotzig kann, sondern auch sanft und schmeichelnd. Eine Queen-Song vermisst man aber schon ein wenig, hat die Rolle der Killerqueen Brigitte Oelke doch auf weiten Strecken ihrer beruflichen Laufbahn begleitet.
Im letzten Drittel wird’s ein wenig Broadway-lastig. Mit "With every Breath I take" und "Time heals everything" folgen zwei recht ähnlich anmutende Songs direkt hintereinander. Eine abwechslungsreichere Anordnung hätte das Hörerlebnis noch spannender gestaltet. Aber es fehlt absolut nicht an gelungenen Überraschungsmomenten.
Ein solcher ist auch "Not while I’m around" aus Steven Sondheims Musical "Sweeny Todd", eigentlich ein Duett zwischen Mrs. Lovett und Tobias. Brigitte Oelke nimmt sich Tobias' Part an. Ihre Version ist einfühlsam und zugleich eindringlich und einer der Anspieltipps der CD. Als ebensolcher sei die wunderbare Ballade "I never danced with you" aus dem hierzulande völlig unbekannten Stück namens "Lunch" von Steve Dorff (Musik) und John Bettis (Text) genannt.
Das Zusammenspiel zwischen Stimme und Instrumenten überzeugt mit großer Natürlichkeit - ein Zeichen für die hervorragende Ton- und Produktionsqualität. Ganz besonders schön klingt es bei Frank Wildhorns Komposition "Candle in the Window". Das Klavier umschmeichelt gleichsam Brigitte Oelkes Stimme, und beides zusammen entfaltet sich auf einem Teppich warmer Celloklänge. Ariane Spiegel am Cello und Dominik Franke am Flügel haben großen Anteil am hohen musikalischen Niveau dieser CD-Produktion.
Mit "The Private Session – Musicals Vol. 1" liefert Brigitte Oelke eine Solo-CD ab, deren inhaltlicher und künstlerischer Anspruch sich am besten erschließt, wenn man sich das Album Song für Song in Ruhe anhört. Das sollte man tun. Es lohnt sich.
Text: Sylke Wohlschiess
CD-Tracklist
- Heaven on Their Minds (aus "Jesus Christ Superstar")
- Candle in the Window (aus "The Civil War")
- Der letzte Tanz (aus "Elisabeth")
- Angels, Punks and Raging Queens (aus "Elegies for Angels, Punks and Raging Queens")
- I Never Danced With You (aus "Lunch")
- Da war einst ein Traum (aus "Jekyll & Hyde")
- Nur ein Blick (aus "Sunset Boulevard")
- Hold On (aus "The Secret Garden")
- Not While I'm Around (aus "Sweeney Todd")
- With Every Breath I Take (aus "City of Angels")
- Time Heals Everything (aus "Mack and Mabel")
- Ich hab' geträumt vor langer Zeit (aus "Les Misérables")
- But The World Goes Round (aus "And The World Goes Round - New York, New York")
- People (aus "Funny Girl")
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