Rezension Live-CD
„Auf der Straße der Erinnerung“ - Michaela Schober
Erscheinungsjahr: 2017
Spieldauer: 62 Minuten
17.04.2018 - „Weißt du noch…“ heißt es in geselliger Runde, schon erinnert man sich lachend an den weltfremden Physiklehrer, den tollen Typen aus der Oberstufe oder die vermasselte Führerscheinprüfung (und natürlich ist man auch Jahre später noch ganz sicher, dass die Ampel auf keinen Fall rot war). Dann sind da die Meilensteine des Lebens: die erste große Liebe, der erste Job, vielleicht das erste Kind. Aber auch der erste Verlust eines geliebten Menschen, Enttäuschungen und Niederlagen. Die Zeit legt einen sanften Schleier über alle Erinnerungen, nimmt der Trauer den Schmerz und wandelt überbordenden Freudentaumel in stilles Glück. Auf dem Grat zwischen Dankbarkeit und Melancholie schreitet Michaela Schober „auf der Straße der Erinnerung“ und nimmt ihr Publikum mit auf eine sehr persönliche Reise..
Die mit Bedacht ausgewählten Musiktitel und die zutiefst wahrhaftige Weise, in der Michaela Schober diese zu Gehör bringt, löst die Emotion aus dem Kontext des Songs. So findet sich der Zuhörer unversehens auf seiner individuellen Straße der Erinnerung, auch, wenn für jeden einzelnen ganz andere Musiktitel mit den Gefühlen verbunden sind. Diese Stimmung spannt auch den Bogen vom Musicalgenre – egal ob Klassiker wie „Cats“ oder aktuell wie „Die Päpstin“ – über Liedermacher, Schlager, Evergreens und Volkslieder.
Die Live-CD „Auf der Straße der Erinnerung“ wurde bei einem kleinen Studiokonzert in den Tresohr Studios in Oberhausen aufgenommen und transportiert die Konzertatmosphäre direkt ins heimische Wohnzimmer. Sängerin Michaela Schober, Gastsolist Jan Rekeszus und Pianist Mario Stork kommen gänzlich ohne technische Effekte aus. Die CD überzeugt mit sehr guter Klangqualität ohne unnötige Schnörkel.
Mario Storks Klavierspiel wirkt fast wie eine weitere Gesangsstimme, so harmonisch verbinden sich Tasten- und Stimmklänge. „Wonderful Life“, der 1980er-Hit des britischen Singer-Songwriters Colin Vearncombe, erstrahlt in wohlklingenden Melodievariationen und einem gefühlvollen Klavierarrangement. Stork versteht sich nicht nur auf die weißen und schwarzen Tasten, sondern auch auf Back Vocals und Akustikgitarre, zu der er beispielsweise bei „Speaking With The Angel“ greift.
Diese Ballade des kanadischen Musikers Ron Sexsmith erzählt von einem Baby, einem kleinen Jungen, der im Schlaf unverständliche Laute von sich gibt. Michaela Schober singt den deutschen Text „Sie spricht mit ihrem Engel“ und schafft so einen persönlichen Bezug zu ihrer eigenen kleinen Tochter, was diesen Song zu einem besonders bewegenden Moment macht.
Wie wunderbar Michaela Schobers Sopran in Verbindung mit dem geradezu unfassbar schönen Bariton von Jan Rekeszus klingt, hört man bei „Gold, Gold auf schwarzen Wassern“ aus dem Musical „Don Camillo und Peppone“. Bei „Der Mond ist aufgegangen“ kommt Rekeszus noch einmal zum Einsatz und zeigt zusammen mit Michaela Schober, wie einfühlsam ein Gedicht aus dem 18. Jahrhundert heutzutage noch interpretiert werden kann.
Wenn dann auch uralte Schlager gleichermaßen ergreifend und modern wirken, zeigt sich einmal mehr, welch‘ grandiose Songinterpretin Michaela Schober ist. Nicht nur ihre sanfte und zugleich kraftvolle Stimme, sondern auch ihre Hingabe an die Lieder machen „Sehnsucht“ und das direkt folgende „Ein Schiff wird kommen“ zu musikalischen Höhepunkten mit ehrlich empfundener emotionaler Tiefe. Schobers eindringliche Rezitation des Gedichts „Meine Wahl“ von Erich Fried, das dem „A Chorus Line“-Song „What I Did For Love“ vorangeht, ist ein ganz spezielles Extra.
Natürlich darf auf einer CD, die das Wort „Erinnerung“ im Titel führt, auch der gleichnamige Song aus dem Musical „Cats“ nicht fehlen. Gehen wir also mit Michaela Schober und ihrer großartigen Solo-CD „auf der mondhellen Bahn ins Land der Erinnerung“ und freuen wir uns auf die nächste gesellige Runde mit Freunden und Familie, wenn es wieder heißt „weißt du noch…?“.
Text: Sylke Wohlschiess
CD-Tracklist
- Ein Lied kann eine Brücke sein
- Wonderful Life
- Sehnsucht
- Ein Schiff wird kommen
- Gabriellas Song (aus dem Film „Wie im Himmel“)
- What I Did For Love (aus dem Musical „A Chorus Line“)
- Einsames Gewand (aus dem Musical „Die Päpstin“)
- Was dir blüht
- 'Ne Prise Zimt
- Erinnerung (aus dem Musical „Cats“)
- Eisblumen
- Duett mit Jan Rekeszus: Gold, Gold auf schwarzen Wassern (aus dem Musical „Don Camillo und Peppone“)
- Aufrecht geh'n
- Für einen Tag
- Speaking With The Angel
- Kugelmond
- Duett mit Jan Rekeszus: Der Mond ist aufgegangen
- Merci Chérie (aus dem Musical „Ich war noch niemals in New York“)