Charme und Stimme:
Konzert - Rezension "Auf ein Wort" - Enrico De Pieri in Hamburg
„Wir fangen einfach an und reden später, dann sind wir nicht mehr so nervös“. Gesagt, getanzt. Schritt- und stimmstark legt Enrico De Pieri mit Rihannas „Don’t stop the Music“ los und hat das Publikum damit vom ersten Moment an auf seiner Seite. Die Wahl dieses Openers lässt es schon erahnen: „Euch erwartet ein wildes Programm.“ So reihen sich auf der Setlist ganz unterschiedliche Songs aneinander: Solche, die Enrico De Pieri „im Auto mitgröhlt“ neben anderen, die er schon gesungen hat und denen, die er „immer schon singen wollte, aber nicht durfte“.
Welches Lied zu welcher Kategorie gehört, erzählt der gut gelaunte Künstler in erfrischend spontanen und persönlichen Worten. So erfährt man beispielsweise, dass „Go the Distance“ Enrico De Pieris erstes Lied bei einer Audition war. Auch bei „Auf ein Wort“ zeigt er sein stimmliches Können mit dieser Nummer aus „Disneys Hercules“. Von anfangs angehauchten Tönen geht es über einen voluminösen Mittelteil bis hin zum sanften, sehr gefühlvoll gesungenen Schluss. Rollengerecht härter, fast aggressiv klingt es bei „Build a Wall“, das „Oger Enrico“ in deutscher Sprache zum Besten gibt.
„Se bastasse una Canzone“ kann De Pieri nach eigenem Bekunden gar nicht oft genug singen. Er intoniert Eros Ramazzottis Lied mit enormer Ausdrucksstärke und mitreißender Dynamik. In Verbindung mit Jochen Bens‘ leidenschaftlichem Gitarrensolo wird dieser Song zu einem Paradebeispiel für die perfekte Verbindung von Emotion und Power. Dem Publikum gefällt’s – so gut, dass am Ende des Konzerts genau diese Darbietung noch ein zweites Mal als Zugabe erklatscht wird.
Ein eigener Block ist „Kein Pardon“ gewidmet. Enrico De Pieri kreierte die Hauptrolle des Peter Schlönzke in Hape Kerkelings Musical, entsprechend intensiv interpretiert er „Kumpel Nummer eins“. Einen spürbar besonderen Moment erleben dann nicht nur die Gäste, sondern auch die Akteure auf der Bühne. Überraschungsgast Iris Schumacher, die in Düsseldorf als Mutter Schlönzke dabei war, lässt im Duett „Kein Pardon“ gemeinsam mit dem Gastgeber die Erinnerung an die Zeit im Capitol Theater lebendig werden.
Weitere weibliche Verstärkung kommt mit Janne Marie Peters. „Wild und frei“ wird zum „Gefährlichen Spiel“. Ein grandioses Klavierintro von Hannes Schauz, der auch die Arrangements für das Konzert geschrieben hat, führt zu Frank Wildhorns „Jekyll & Hyde“. Janne Marie Peters versteht es hervorragend, die dunkle Faszination zum Klingen zu bringen, der Lucy angesichts von Edward Hyde erliegt. Enrico De Pieri, auf fröhliche Stücke beinahe schon abonniert, zeigt hier eine ganz andere Seite und gibt überraschend glaubhaft den furchteinflößenden Killer. Das folgende „Dies ist die Stunde“ wird zu einem der musikalischen Glanzpunkte. Mit geschmeidiger Stimmführung geht es von samtweichen zu kraftvollen Passagen. Enrico De Pieri liefert eine einfallsreiche, hervorragend gesungene Interpretation dieser großartigen Ballade.
Schade, dass man ihn wohl eher nicht in dieser Rolle erleben wird, denn im Interview mit Dominik Lapp verrät Enrico De Pieri, dass er die Menschen vor allem gerne zum Lachen bringt – bei „Jekyll & Hyde“ wohl nicht die übliche Publikumsreaktion. Die Fragerunden, die bei den „Auf ein Wort“-Konzerten Teil des Konzepts sind, vermitteln neben De Pieris Moderation weitere Einblicke in seinen künstlerischen Werdegang und einige einschneidende Momente im Leben des Künstlers.
Ein solcher war wohl beinahe wörtlich die radikale Änderung der Frisur. Beim Blick in das 16-seitige Foto-Programm-Heft, das jeder Konzertbesucher als Extra mit nach Hause nehmen durfte, sieht man Enrico De Pieri noch mit weit mehr Haar, als aktuell. „Eine Glatze schneide ich mir nie“ – aber als die Rolle des Dschinni in „Disneys Aladdin“ für De Pieri Realität wurde, mussten die Haare dann doch weichen. Und inzwischen, so sagt er grinsend, geht er auch wieder ohne Mütze aus dem Haus. Ungewohnt ernst wird der sympathische Sänger, als im zweiten Interviewblock die Rede auf den viel zu früh verstorbenen Dirk Bach kommt. Nicht nur ein toller Kollege sei er gewesen, so Enrico De Pieri, sondern vor allem auch ein wunderbarer Mensch. Mit Dirk Bach auf der Bühne gestanden und ihn kennengelernt zu haben, erfülle ihn mit Stolz und großer Dankbarkeit. Sehr offen erzählt De Pieri auch von seinen „gefühlt vierzehntausend“ Auditions für „Shrek“ und seinem großen Bedauern, als er die Rolle letztlich doch nicht bekam. „Manchmal will man etwas vielleicht zu sehr“, meint er nachdenklich.
Nachdenklich stimmt auch die Thematik des Musicals „Matilda“, in dem es um ein ungewöhnlich begabtes Kind und unfähige Lehrer geht. Hier kommen die Mädchen und Jungen der Musicalschule Ahrensburg zum Einsatz, deren Chorgesang sehr gut mit Enrico De Pieri als Mrs. Trunchbull harmoniert. Auch die Band unter Musikalischer Leitung von Hannes Schauz am Keyboard wird vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Kein Wunder, denn Giorgio Radoja (Keyboard), Jochen Bens (Gitarre), Alexander Busse (Bass) und Tim-Ole Hoff (Schlagzeug) tragen durch Spontanität und Spielfreude viel zur stimmungsvollen Atmosphäre bei.
„Auf ein Wort“ überzeugt mit interessantem Konzept, Liveband, Chor, Gastsängern und nicht zuletzt einem charmanten Enrico De Pieri, der seine Vielseitigkeit eindrucksvoll demonstriert.
Text: Sylke Wohlschiess
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Fotogalerie "Auf ein Wort", Hamburg, 10/2016
Darstellerprofil Enrico De Pieri
Setlist
Titel | Interpret/-en | Mehr Informationen rund um den Titel |
1. Teil | ||
Don't stop the Music |
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Die R&B-Sängerin Rihanna veröffentlichte "Don't stop the Music" als Singleauskopplung aus ihrem Studioalbum "Good Girl gone bad", das 2007 auf den Markt kam. Diese schnelle, gut tanzbare Nummer gilt als einer ihrer größten kommerziellen Erfolge. |
Go the Distance | Musical: "Disneys Hercules" Alan Menken komponierte "Go the Distance" für den Disney-Zeichentrickfilm "Hercules", der 1997 in die Kinos kam. Er durfte sich über eine Oscar- und eine Golden Globe-Nominierung für den Song freuen. Hercules, der Sohn von Zeus und Hera, wurde als Kind entführt. Er spürt, dass es Geheimnisse gibt, erfährt von seiner Abstammung und setzt alles daran, auf den Olymp zurückzukehren. Bekannt ist auch Michael Boltons Coverversion, die ebenfalls 1997 erschien. |
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Se bastasse una Canzone |
"Se bastasse una Canzone" erschien 1990 auf Eros Ramazzottis Album "In ogni Senso". Im Song geht es um die Sehnsucht nach Liebe und Frieden, die man so einfach erfüllen könnte, wenn - wie der Titel sinngemäß lautet - ein Lied genug wäre. | |
Meine Göttin | Musical: "Die letzen fünf Jahre" Das Ende einer Beziehung thematisiert Jason Robert Browns Musical aus dem Jahr 2001. Das Besondere ist die gegenläufige Erzählperspektive: Cathy erzählt rückblickend, Jamie chronologisch. Kurz nach dem Kennenlernen besingt Jamie seine Cathy als "Meine Göttin". |
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Probier's mal mit Gemütlichkeit |
mit dem Chor der Musikschule Ahrensburg |
Musical: "Disneys Dschungelbuch" Das Dschungelbuch" war der letzte Musical-Zeichentrickfilm, den Walt Disney selbst produzierte, den Kinostart im Oktober 1967 hat der 1966 verstorbene Filmproduzent nicht mehr erlebt. "Probier's mal mit Gemütlichkeit" wurde nicht, wie die übrigen Lieder des Films von den Sherman-Brüdern, sondern von Terry Gilkyson komponiert. Balu, der Bär, mag's gerne geruhsam und erklärt, warum das so ist. |
Interviewblock |
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Kumpel Nummer eins | Musical: "Kein Pardon" Das Musical "Kein Pardon" von Achim Hagemann, Thomas Zaufke (Musik) und Komiker Thomas Hermanns (Libretto) basiert auf Hape Kerkelings gleichnamigem Film. Im Mittelpunkt steht Peter Schlönzke, ein etwas trotteliger Endzwanziger, der noch zu Hause wohnt, seiner Mutter beim familieneigenen Schnittchenservice unterstützt und von der schillernden Fernsehwelt träumt. So ist denn auch der Fernsehapparat sein "Kumpel Nummer eins". |
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Wild und frei |
Duett mit Janne Marie Peters |
Musical: "Kein Pardon" Durch Tontechnikerin Ulla kommt Peter Schlönzke an einen Hilfsjob bei seiner Lieblings-TV-Show "Witzigkeit kennt keine Grenzen". Die beiden freunden sich an, bis Ulla einen Job im Ausland annimmt. "Wild und frei" ist das Abschiedsduett von Peter und Ulla. |
Kein Pardon | Duett mit Iris Schumacher | Musical: "Kein Pardon" Nachdem Peter Schlönzke Moderator der TV-Show "Witzigkeit kennt keine Grenzen" wurde, hat er fast unmerklich die negativen Eigenschaften seines Vorgängers übernommen. Das Resultat:Seine Familie wendet sich von ihm ab. |
2. Teil | ||
Ich mauer' mich ein | Musical: "Shrek" Jeanine Tesori (Musik) und David Lindsay-Abaire (Libretto) entwickelten das Musical nach den Cartoons von William Steig. Die Uraufführung fand 2008 in Seattle statt, 2014 kam "Shrek - Das Musical" erstmals nach Deutschland. In "ich mauer' mich ein" beschließt der grüne Oger Shrek, sich wieder in die Einsamkeit zurückzuziehen. |
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Heiß | Schon einige Jahre auf dem Buckel hat Nina Hagens "Heiß". Das Lied mit der Hagen-typischen provokanten Wortwahl erschien bereits 1978 auf ihrem ersten Studioalbum namens "Nina Hagen Band". Comedian Thomas Hermanns nahm es in sein Stück "Bussi - das Munical" auf. | |
Interviewblock |
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Gefährliches Spiel | Duett mit Janne Marie Peters | Musical: "Jekyll & Hyde" In Dr. Jekylls Auftrag warnt Utterson Lucy vor Edward Hyde und rät ihr dringend zur sofortigen Flucht aus London. Doch gerade als sie mit Packen fertig ist und sich auf den Weg machen will, taucht Hyde auf. Lucy kann sich seiner Faszination nicht entziehen und bezahlt mit ihrem Leben. |
Dies ist die Stunde | Musical: "Jekyll & Hyde" Nahezu besessen von der Idee, das Gute vom Bösen im Menschen zu trennen, entschließt sich Dr. Jekyll zum Selbstversuch. Er sieht sich an der Schwelle zu größtem wissenschaftlichem Ruhm und trinkt das Elixier, das tatsächlich zur Spaltung seines Wesens in Dr. Jekyll und Mr. Hyde führt. Die Konsequenzen allerdings sind ihm zu diesem Zeitpunkt nicht klar. |
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Smell of Rebellion | mit dem Chor der Musikschule Ahrensburg | Musical: "Matilda" Roald Dahls Kinderbuch um die hochbegabte Matilda, die ihre telekinetischen Fähigkeiten einsetzt, um anderen zu helfen, diente als Vorlage für das Musical "Matilda", das Tim Minchin (Musik und Songtexte) und Dennis Kelly (Buch) Ende 2010 zur Uraufführung brachten. Die fiese Schuldirektorin Mrs. Trunchbull ist sich sicher, dass sie jedes noch so kleine Zeichen eines Schüleraufstands sofort erkennt. |
Revolting Children | mit dem Chor der Musikschule Ahrensburg | Musical: "Matilda" Die Kinder wollen die Boshaftigkeiten der Schulleiterin Mrs. Trunchbull nicht länger erdulden. Mit "Revolting Children" erklären sie ihre Beweggründe für die Revolte. |
You'll be back | Musical: "Hamilton" Seit seiner Uraufführung im Januar 2015 sorgt das Hip-Hop-Musical von Lin-Manuel Miranda für Furore. "Hamilton" erzählt die Lebensgeschichte des Staatsmannes Alexander Hamilton, der die amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit unterschrieb und unter Präsident George Washington erster Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika war.Hamiltons Portrait ziert die 10-Dollar-Banknote der USA. Im Gegensatz zu fast allen anderen Songs des Musicals klingt "You'll be back" stilistisch mehr nach den britischen Popformationen der 1960er-Jahre. Der britische König Georg III. bringt mit "You'll be back" seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Menschen nach Scheitern des Unabhängigkeitskrieges reumütig in den Schoß des Britischen Königreichs zurückkehren werden. |
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Zugabe | ||
Se bastasse una Canzone |
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