Grandios: Konzert – Rezension
Mark Seibert: „The Streaming Sessions Unplugged Vol. 2“
28.03.2021 - Mark Seibert: „The Streaming Sessions Unplugged Vol. 2“ - mit Frank Nimsgern an der Gitarre - Florian Albers am Klavier - Marcella Adema
Kaum setzt Mark Seibert mit „it's amazing how you can speak right to my heart” ein, findet man sich schon mitsingend auf dem heimischen Sofa. Aufwärmphase? Brauchen weder Akteure noch Zuschauer! Konzertfeeling? Definitiv! Wenn live vor Ort nicht möglich ist, freut man sich über Alternativen, besonders, wenn schon die Besetzung auf ein besonderes Event hoffen lässt.
Florian Albers an Klavier und Gesang, Komponist und Gitarrist Frank Nimsgern, „Pretty Woman“ Marcella Adema und natürlich Mark Seibert senden aus dem Katielli-Theater in Datteln. Wer den Schritt in den digitalen Konzertsaal mitgeht, wer es schafft, sich auf diese andere Art der Unterhaltung einzulassen, der wird mit einem grandiosen Unplugged-Konzert belohnt, das den Vergleich mit ähnlichen Liveevents unterschiedlichster Rock- und Popgrößen nicht zu scheuen braucht.
Die Freiheit der Solokonzerte - Mark Seibert
„Bei Solokonzerten kann man ja machen was man will“ strahlt Seibert – und nutzt diese Freiheit für eine Setlist, die vereint, was ihm musikalisch am Herzen liegt: Rollen, die er gespielt hat und solche, auf deren Premieren er noch warten muss, Lieblingsbands und eigene Songs. Wer könnte Musical und Pop gesanglich besser verbinden als Mark Seibert, der mit seiner vielseitigen Stimme und seinem breiten Repertoire seit Jahren in beiden Bereichen glänzt. Und wenn Weltstars wie Chris de Burgh oder Bryan Adams für Musicals komponieren, verschwimmen die eigentlich auch gar nicht nötigen Genregrenzen sowieso.
Robin Hood, der Titelheld des neuen Spotlight-Musicals, hätte sich „schon längst durch Fulda kämpfen“ sollen. Keiner weiß zum jetzigen Zeitpunkt, ob der zweite Anlauf im Sommer 2021 klappt, aber Mark Seibert hat die Kompositionen von Chris de Burgh und Dennis Martin schon absolut verinnerlicht und präsentiert ein hingebungsvolles „Ich flieh in den Krieg“.
Ebenso emotional wird es beim Rückblick auf das Musical, für das Bryan Adams und sein langjähriger Songwriting-Partner Jim Vallance die Musik schrieben. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich „Du und ich“ mal für zwei hübsche Männer singen würde“, witzelt Mark Seibert. Aber unüberhörbar ist die Wehmut, wenn er erzählt, dass er seine letzte Show vor der geplanten Pause aus Krankheitsgründen nicht spielen konnte und es nun für ihn keine Rückkehr zu „Pretty Woman“ geben wird. Er legt so viel Herz in den Song, dass man sehr genau spürt, wie sehr er sich einen richtigen Abschluss für seine Zeit bei „Pretty Woman“ gewünscht hätte.
Zu Gast bei Mark Seiberts „Streaming Session“: Marcella Adema, Florian Albers und Frank Nimsgern
Aber Mark Seibert ist jemand, der nicht jammert, sondern lieber versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Also lädt er einfach seine Bühnenkollegin Marcella Adema zu „The Streaming Sessions unplugged“ ein. Gemeinsam präsentieren sie „With You“ aus dem Musical „Ghost“ – eigentlich ein Solosong der weiblichen Hauptrolle Molly – als Duett. Mark Seiberts klarer Tenor und Marcella Ademas wunderschön gefärbter Mezzosopran ergänzen sich ideal.
„Rewrite The Stars“ aus dem Musicalfilm „The Greatest Showman“ und „Shallow” aus „A Star Is Born” gefallen in der Interpretation von Seibert und Adema fast besser als die Originale. Marcella Adema beeindruckt mit Stimmvolumen, sie singt volltönend und zugleich samtweich. Zusammen mit der extremen Höhe, die Mark Seibert scheinbar mühelos erreicht, ergeben sich einprägsame, äußerst klangvolle Harmonien.
Bei ihrem Solo „Gravity“, im Original von Sara Bareilles, wird Marcella Adema nur von Florian Albers begleitet, der wieder einmal seine Virtuosität an den Tasten unter Beweis stellt. In seinen eigenen digitalen Konzerten, die er gemeinsam mit Tamara Peters regelmäßig streamt, zeigt sich schon Albers‘ breites musikalisches Wissen und Können. Auch als Pianist bei Mark Seiberts Konzert überzeugt er mit seinem weichen, gefühlvollen Anschlag.
Wenn dann noch ein Gitarrenkünstler wie Frank Nimsgern in die Saiten greift, braucht es keine große Band, um dem Gesang eine ideale instrumentale Basis zu bieten. Es ist eine Freude, nicht nur den großartigen Stimmen, sondern der ebenso hochkarätigen musikalischen Begleitung zu lauschen, zumal der Ton von Oliver Okunneck perfekt abgemischt ist und auch die Streamingtechnik störungsfrei funktioniert.
Unter der Bildregie von Christian Regiet ergeben die Aufnahmen der vier Kameraleute einen professionellen Wechsel von Totalen und Nahaufnahmen – auch von Fingern auf Tasten und Saiten. Überblendungen und verschiedene Lichtstimmungen (Patrick Kievernagel) tragen ebenfalls zur Atmosphäre bei.
„The Streaming Sessions unplugged“ wirkt wie ein Blick von Wohnzimmer zu Wohnzimmer. Wenn Frank Nimsgern vor „Shape Of My Heart“ erzählt, was Dominic Miller mit Sting zu tun hat, wenn Florian Albers „an die Bar“ gehen will, weil Mark Seibert laut überlegt, ihn beim nächsten Mal durch Klavierspiel-Neuling Marcella Adema zu ersetzen, dann fühlt sich dies an wie ein Gespräch unter Freunden. Wenn man jetzt noch via Livechat „mitreden“ könnte, wäre die räumliche Distanz noch mehr überwunden. So hätte das Publikum auch die Möglichkeit, den Applaus, den die Künstler doch sehr vermissen, zumindest virtuell in Echtzeit zu spenden. Das begeisterte Klatschen zuhause vor den Monitoren können Seibert und seine Gäste ja leider nicht hören.
Mark Seibert: Bei Musical und Pop in Bestform
Ganz besondere Beifallsstürme dürften neben dem hochemotionalen „Bring Him Home“ aus dem Musical „Les Misérables“ und Mark Seiberts Eigenkomposition „Dass es uns nicht mehr gibt“ auch die 80er-Hits „Broken Wings“ und „Take On Me“ auslösen.
„Broken Wings“ zeigt Florian Albers auch als hervorragenden Sänger, von dem man gerne noch etwas mehr gehört hätte. In ungewöhnlichem Arrangement wird im Duett von Seibert und Albers der alte 1980er-Hit von Mr. Mister zu einem neuen, modernen Klangerlebnis.
Ein absolutes Glanzlicht der „Streaming Sessions unplugged“ gelingt Mark Seibert mit der unplugged-Version von „Take On Me“. Bis heute fehlt der erste Nummer-Eins Hit von a-ha auf keinem ihrer Konzerte, die akustische Version erschien auf dem im November 2017 in Giske, Norwegen, aufgezeichneten Album „MTV Unplugged: Summer Solstice“.
Die Songs der norwegischen Band a-ha sind angelegt auf Morten Harkets fast legendären Stimmumfang und seine besondere Art zu singen. Misst man am Original, würden daran wohl auch viele gute Sänger scheitern, nicht umsonst bezeichnet der „Rolling Stone“ den Refrain des Songs als den am schwersten zu singenden in der Pop-Geschichte. „Take On Me“ geht über drei Oktaven und lebt von flüssigen Übergängen ins Falsett. Zudem sind die großen Tonsprünge sehr schwer zu treffen. Mark Seibert meistert die Herausforderung nicht nur mit Bravour, sondern wirkt beim Singen zudem völlig locker und unangestrengt.
Auch wenn dies jetzt eine persönliche Meinung der Autorin ist (die eigentlich bei Rezensionen so deutlich nicht gesagt werden sollte): Ich glaube nicht, dass es außer Morten Harket jemanden gibt, der „Take On Me“ so unfassbar grandios singen kann, wie Mark Seibert. Ein gemeinsamer Auftritt von Mark und Morten… naja, träumen darf man, oder?
Text: Sylke Wohlschiess
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Setlist
Titel | Interpret/-en |
When You Say Nothing At All | Mark Seibert |
Broken Wings | Mark Seibert Florian Albers |
Du und ich | Mark Seibert |
Shape Of My Heart | Mark Seibert |
With You | Mark Seibert Marcella Adema |
Rewrite The Stars | Mark Seibert Marcella Adema |
Gravity | Marcella Adema |
Dass es uns nicht mehr gibt | Mark Seibert |
Shallow | Mark Seibert Marcella Adema |
Ich flieh' in den Krieg | Mark Seibert |
Take On Me | Mark Seibert |
Bring Him Home | Mark Seibert |
Falling Slowly | Mark Seibert Marcella Adema Florian Albers |