Intensives Musikerlebnis:
Konzert - Rezension „Christian A. Müller - Heroes“ in Chemnitz
Überall findet man sie, in Märchen und in Musicals, in Romanen und auch in der Realität. Mal draufgängerisch und selbstbewusst, mal zurückhaltend und bescheiden: „Heroes“, Helden. Das Thema eröffnet eine breite Palette an musikalischen und interpretatorischen Möglichkeiten und ist gut gewählt für die erste Veranstaltung von Heartmade Productions, der von Christian Alexander Müller zusammen mit Nadine Wagner gegründeten Produktionsfirma.
Mit einem gelungenen Einfall beginnt das Konzert in der Markuskirche Chemnitz:
Der junge Simon Rottluff intoniert erstaunlich souverän die ersten Töne von „Ich werd’s noch beweisen“, schreitet dabei langsam in den Mittelgang und übergibt an Christian Alexander Müller, der mit der englischsprachigen Version „Go the Distance“ fortsetzt. Optisch verstärkt duch das selbe Outfit wirkt dies gleichsam wie ein Rückblick auf die eigenen musikalischen Anfänge. Denn der erst 14-jährige talentierte Nachwuchssänger wird derzeit im Chemnitzer Studio W.M. ausgebildet, dort, wo auch Christian Alexander Müller begonnen hat.
Zum ersten Mal steht er nicht nur als Künstler auf der Bühne, sondern verantwortet als Veranstalter auch das Konzept und den Gesamtablauf. Dennoch ist die anfängliche Anspannung kaum spür- und schon gar nicht hörbar. Müllers unverwechselbarer Tenor trägt vom ersten bis zum letzten Ton durch einen Abend voller gesanglicher Höhepunkte. Gleich nach den spanisch anmutenden Klängen des „Man of la Mancha“ der seinen „Impossible Dream“ träumt, singt er sich mit „Gethsemane“ vollends von jedem Anflug von Nervosität frei. Oft hört man dieses Lied in rockigen Interpretationen, Müller jedoch bleibt seiner klassischen Linie treu und vermittelt mit jedem einzelnen Ton, mit jedem Blick und jeder Handbewegung die innere Zerrissenheit dieses ganz anderen Helden. Mühelos lässt er die Töne mal schmeichelnd und sanft, mal druckvoll und voluminös klingen. Seine unverwechselbare Stimmfarbe, die Hingabe an die Musik und die gerade in ihrer Zurückgenommenheit sehr eindrückliche schauspielerische Untermalung machen aus jedem Lied ein Erlebnis.
„Mozart!“, „Yentl“ oder „Aida“ - das Programm ist anspruchsvoll und wohl durchdacht angeordnet. So folgen beispielsweise alle Stücke aus den Musicals von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg direkt nacheinander, was auch weniger musicalerfahrenen Besuchern einen guten Einblick in deren Werke ermöglicht. Müllers Interpretation von „Bring ihn heim“ aus „Les Misérables“ kann man nur als brillant bezeichnen. In der wunderbaren Akkustik der Markuskirche führt Müller die Töne zu fast unglaublichen Höhen - eine grandiose Leistung, die nach atemloser Stille mit minutenlangem Zwischenapplaus belohnt wird.
Überhaupt ist die Atmosphäre in der dezent und stimmungsvoll ausgeleuchteten Markuskirche besonders angenehm: Kein Kreischen, keine Zwischenrufe, kaum einmal ein Husten. Das Publikum hört zu, genießt und applaudiert begeistert am Ende jedes Songs. Mit seinen charmanten Moderationen, die anscheinend nicht schon im Voraus bis zum letzten Wort ausformuliert wurden und gerade deshalb besonders sympathisch wirken, findet Christian Alexander Müller genau den richtigen Tonfall. Etwas mehr Blickkontakt wäre schön gewesen, aber Müller erreicht das Publikum, wird im Lauf des Abends immer gelöster und freut sich sichtlich über die positiven Reaktionen, mit denen auch seine Gäste begrüßt werden.
Roberta Valentini begeistert als „Pirate Queen“ mit aussdrucksstarkem Mezzosopran. Im Duett mit Christian Alexander Müller verbinden sich diese beiden besonderen Stimmen zu einem harmonischen Ganzen, ohne die jeweilige Eigenständigkeit zu verlieren. Patrick Stanke fällt im „Jekyll & Hyde“-Block die Interpretation des Mr. Hyde zu. Seine Stimmgewalt beim Solo „Welch ein Gefühl“ untermalt er mit beängstigenden Blicken. Die „Konfrontation“ wird ausnahmsweise zum Duett der Tenöre: Stanke, offensiv, aggressiv und wild, ist zuständig für die dunkle Seite, Müller, zurückhaltender, gentlemenlike, singt die Parts des Dr. Jekyll. Ruhiger geht zu, wenn er gemeinsam mit Angelina Biermann „Dich kennen heißt dich lieben“ aus „Mozart!“ vorträgt. Mit ihrer klaren, sauber geführten Sopranstimme gewinnt die Studentin der Leipziger Musikhochschule das Publikum für sich. Besonders herzlich wird Judith Lefeber begrüßt, die in Chemnitz durch ihre Interpretation der Titelrolle in „Aida“ bekannt ist. Ihr Stimmvolumen ist immens, ihre Mimik wirkt bei „So einfach so schwer“ aber fast etwas zu verbissen. Die sanfte, verliebte Seite der nubischen Prinzession vermittelt sie überzeugender bei „Sind die Sterne gegen uns“ – natürlich zusammen mit Christian Alexander Müller, ihrem Bühnenpartner aus der Produktion am Chemnitzer Opernhaus.
Die Künstler werden instrumental hervorragend begleitet und unterstürzt. Der Musikalische Leiter Heiko Lippmann dirigiert von seinem Keyboard aus die fünf Musiker, seine Arrangements verbinden Gesang und Musik zu einer klangvollen Einheit . Wirklich gelungen ist auch die konzeptionelle Einbindung der Gastsänger. Valentini, Stanke und Lefeber können sowohl mit einem Solo als auch im Duett ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, der Fokus bleibt dennoch immer auf dem Hauptakteur dieses ersten „Heroes“-Konzerts. Vor allem für Stanke und Valentini dürfte so auch das Interesse an den anstehenden Solokonzerten der „Simply“-Reihe von Heartmade Productions geweckt sein. Das Motto – Helden – hätte durch mehr Informationen zu den Inhalten der ausgewählten Werke deutlicher herausgestellt werden können. Sehr schön wird aber gegen Ende der Bogen geschlossen: Einfühlsam zitiert Müller Charlie Chaplins Worte „Als ich mich selbst zu lieben begann“, die auf sehr berührende Weise beschreiben, wie man im Lauf des Lebens menschliche Tugenden erlangt und diese einen auf ganz andere, unspektakuläre Weise zum Helden machen. Jetzt kommen auch die Tafeln zum Einsatz, die Simon Rottluff im Verlauf des Konzerts „gesammelt“ hat. So reihen sich Schilder mit Worten wie Reife, Respekt und Bescheidenheit am Bühnenrand – ein gerade in seiner Schlichtheit äußerst beeindruckendes Bild.
Dies gilt insgesamt für „Heroes“. Müller hat zusammen mit seinem Team ein durchdachtes Programm abseits der althergebrachten Musicalabende konzipiert, das er mit seinen Gästen und Musikern auf allerhöchstem Niveau darbietet. „Heroes“ braucht keine Showeffekte sondern überzeugt durch deutlich spürbare Liebe zur Musik, durch fantastische Leistungen aller Beteiligten und nicht zuletzt durch Christian Alexander Müllers grandiose Stimme. Ohne die „Musik der Nacht“ darf er natürlich die Bühne nicht verlassen. So setzen das große Solo aus dem „Phantom der Oper“ und das folgende „Einsam sind alle Sänger“ den Schlusspunkt unter ein intensives Musikerlebnis.
Text: Sylke Wohlschiess
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