Tanz der Fledermäuse: Konzert – Rezension
„Vampire Special 3.0“
22.10.2020 - Raphael Groß - Jonas Hein - Celena Pieper - Patrick Stanke - Lukas Witzel - Konzert vor Ort im Theater Magdeburg und virtuell im Livestream - „Tanz der Vampire“ - „Bat Out Of Hell“
Transsilvanien 2020: Flackerndes Kerzenlicht wirft Schatten an die Wände eines seltsamen, ja fast unheimlichen Zimmers. Nur erahnen kann man die Konturen der Möbel: Ein alter Sessel. Eine Stehlampe, ebenso spinnwebenverhangen wie die schweren Messing-Kandelaber, die überall im Raum stehen.
Furchterregende Gestalten blicken aus goldenen Rahmen und oben auf der Galerie stehen Truhen, die verdächtig nach Särgen aussehen. Daneben ein… Grabstein? Plötzlich betritt eine Gestalt in dunklem Mantel mit einem großen Buch unter dem Arm die Szenerie,...
…die das Bühnenbau-Team des Theaters Magdeburg und das Team von Livetime-Concerts mit viel Liebe zum Detail zur perfekten Kulisse für „Vampire 3.0“ ausgestaltet haben. Patrick Stanke, gemeinsam mit Florian Albers und Tamara Peters Gründer und treibende Kraft hinter dieser Konzertreihe, lädt die singenden Vampire Celena Pieper, Jonas Hein, Raphael Groß und Lukas Witzel zum nächtlichen Rendezvous mit höllischen Fledermäusen und vier Musikern, die mit vampirsicherem Abstand auf der Bühne platziert sind. Sebastian Hartung (Keyboard), Michel Hartwig (Drums), Felix Weishaupt (Bass) und Mirko van Stiphaut (Gitarre) geben alles und schaffen den perfekten rock-musikalischen Rahmen für ein großartiges Konzert.
Vampire vor Ort und im Livestream
Der Großteil der Events von Livetime-Concerts findet parallel vor Ort und als Livestream statt. So kommen auch bei „Vampire 3.0“ zu den coronabedingt wenigen Besuchern im Theater Magdeburg noch die Zuschauer, die via Stream das Geschehen verfolgen. Der digitale Ton ist prima, das Licht vampirfreundlich dunkel. Die besondere Atmosphäre ist auch am Monitor spürbar, wenngleich die Bildführung etwas abwechslungsreicher sein könnte. Oft wird die Frontalansicht der Bühne gezeigt, was vor allem dann einen guten Gesamteindruck vermittelt, wenn Celena Pieper, Jonas Hein, Raphael Groß und Lukas Witzel auf beiden Ebenen verteilt stehen. Es wird mit Überblendungen gearbeitet, aber Nahaufnahmen der Protagonisten gibt es leider nur sehr wenige. Diese kleine technische Begrenzung wird aber angesichts der fantastischen Leistungen und des humorvollen und kreativen Konzepts der Show zur Nebensache.
Patrick Stanke fungiert als Erzähler. Gemütlich lehnt er im Sessel und liest die wichtigsten Eckpunkte der Geschichte vor, die Michael Kunze (Libretto) und Jim Steinman (Musik) im Musical „Tanz der Vampire“ erzählen. Dabei verwendet Stanke zwar den allseits zugänglichen Wikipedia-Text, gibt diesem aber durch seine pointierte Erzählweise - eigentlich ist es eher Schauspiel - einen neuen Kick, der nicht nur die Songs zu einer Geschichte verbindet, sondern auch echtes Musicalfeeling aufkommen lässt. Gegen die trockene Kehle hilft ein Schluck aus der bereitstehenden Flasche. Je mehr sie sich leert, desto wilder wird die Story. Und dann, als Vampirjäger Abronsius, sein Assistent Alfred und die schöne Sarah endlich vor Krolock und Konsorten fliehen können, sehen sie… Fledermäuse!
Der Übergang zu „Bat Out Of Hell“ ist grandios: Während Jonas Hein als Graf von Krolock über die „unstillbare Gier“ der Menschheit sinniert, geht die Musik unter den Erläuterungen des Erzählers über in das melodiegleiche „Objects In The Rear View Mirror May Appear Closer Than They Are“ und läutet so das letzte Drittel des Abends ein: (leider nur) fünf Songs aus „Bat Out Of Hell“. Mit der Stimme des US-Sängers Meat Loaf wurden Jim Steinmans bombastische Rocknummern zu Klassikern. Der erste Teil der Trilogie „Bat Out Of Hell“ erschien 1977, also 40 Jahre vor der Uraufführung des gleichnamigen Musicals. Dennoch sind die Songs alles andere als angestaubt, was Celena Pieper, Jonas Hein, Raphael Groß und Lukas Witzel mit durchweg fulminantem Gesang beweisen. In den Ensemblenummern begeistern alle vier mit großartigem Stimmvolumen und kraftvollen Harmonien. Auch dem ernsten Hintergrund bei „Objects In The Rear View Mirror…“ werden die Sänger vollkommen gerecht: Jonas Hein, Raphael Groß und Lukas Witzel vermitteln die schrecklichen Erinnerungen von Jagwire, Blake und Ledoux mit Einfühlungsvermögen und wunderbarer Gesangsleistung.
Lukas Witzel, Celena Pieper, Jonas Hein und Raphael Groß überzeugen
Lukas Witzel beherrscht natürlich auch den spleenigen Professor aus dem Effeff. Beim rasanten „Bücher“ braucht es weder Maske noch Perücke. Lukas Witzel schafft es allein mit seiner gezielt eingesetzten Mimik und Gestik, den weißhaarigen Abronsius förmlich sichtbar zu machen. Darüber hinaus versteht er es auch, chagal-like herumzupoltern oder voller Inbrunst für das „Mädchen das so lächeln kann“ zu schwärmen. So unterschiedlich die Rollen auch sind – Lukas Witzels Stimme punktet mit hohem Wiedererkennungswert.
Das Duett zwischen Alfred und Sarah enthält auch Gesangsparts der anderen Rollen. In Sekundenschnelle wechselt Lukas Witzel zwischen den Charakteren und passt auch seine Stimmführung der Rolle an: fließend bei den Alfred-Parts, sich fast überschlagend als Professor Abronsius.
Auch Celena Pieper meistert die Herausforderung des raschen Rollenwechsels mit Bravour: Zart und lieblich klingt sie als Sarah, wenn ihre Gedanken bei Alfred weilen, rotzig dröhnt sie als Chagals Frau Rebecca und Magdas ganze Abscheu vor Chagal bringt sie mit einem angeekelten „nee…“ zum Ausdruck. Die junge Mezzo-Sopranistin überzeugt auf ganzer Linie auch mit den großen Solo-Songs aus den Frauenrollen. Egal, ob Magdas „Tot zu sein ist komisch“, Sarahs Sehnsucht nach Freiheit oder Ravens Schmerz um den tot geglaubten Strat: Celena Pieper präsentiert sich als stimmstarke, wandlungsfähige Solistin. An der Seite von Jonas Hein als Graf von Krolock erhält auch die vielbesungene Finsternis eine echte Frischzellenkur.
Der Part des unheimlichen und zugleich faszinierenden Vampirgrafen ist mit Jonas Hein bestens besetzt. Seine angenehme, warme Stimme klingt mal verführerisch, mal bedrohlich. In die „unstillbare Gier“ legt Hein große Ausdrucksstärke und macht so Krolocks vielschichtige Emotionen nachvollziehbar. Mit sicherer Stimmführung und überzeugendem Stimmvolumen singt er das große Solo des Grafen und erhält zu Recht begeisterten Applaus.
Raphael Groß fühlt sich in der Rolle des Alfred sichtlich wohl. Mit jugendlichem Esprit und Charme gibt er den schüchternen, unbeholfenen Assistenten des Professors, der durch die Liebe zu Sarah über sich hinauswächst. Ob als Alfred zwischen Ängstlichkeit und Entschlossenheit schwankend, oder jugendlich-rebellisch als Strat: Raphael Groß versteht es, mit seiner wohlklingenden hellen Stimme die unterschiedlichen Bühnenfiguren zu skizzieren.
Die Verbindung von Jim Steinmans Vampir- und Fledermaus-Musicals in einem Konzertabend, ist ein Konzept, das aufgeht und sicher ganz besonders die Herzen der Rocker unter den Musicalfreunden höher schlagen lässt. Der „Bat Out Of Hell“-Teil lässt noch Luft nach oben, was die Ausarbeitung der Erzählstory angeht – aber ein eventuelles „Vampire 4.0“ braucht ja auch noch eine Steigerung.
Livestreams in Coronazeiten lassen auch zuhause Live-Feeling aufkommen. Nein, sie ersetzen keine Konzerte und ja, es ist vor Ort natürlich anders. Lebendiger. Unmittelbarer. Aber in Zeiten begrenzter Möglichkeiten freuen sich vor allem Menschen, die aus persönlichen Gründen keine Veranstaltungen besuchen können, ganz besonders über solche Angebote. Die Musicalbranche steckt noch in den virtuellen Kinderschuhen. Um so höher einzuschätzen ist das Engagement, das Patrick Stanke und sein Team in die digitalen Projekte stecken. Wir sagen danke!
Text: Sylke Wohlschiess
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Setlist
| Titel | Interpret/-en | Mehr Informationen rund um den Titel |
| Ewigkeit | alle | Musical: „Tanz der Vampire“ Die Vampire sind genervt von der „Langeweile auf Dauer“ und planen den Untergang der Menscheit. |
| Nie geseh’n (Ein Mädchen das so lächeln kann) | Lukas Witzel Celena Pieper | Musical: „Tanz der Vampire“ Liebe auf den ersten Blick: Alfred verguckt sich auf Anhieb in Sarah. Auch sie findet gefallen an dem „netten jungen Mann“. |
| Gott ist tot | Jonas Hein Celena Pieper |
Musical: „Tanz der Vampire“ Von Ferne hört Sarah eine Stimme, unheilvoll und zugleich verlockend. Graf von Krolock beginnt, Sarah in seinen dunklen Bann zu ziehen. Krolock und der Chor der Vampire besingen die Natur der Vampire. |
| Draußen ist Freiheit | Raphael Groß Celena Pieper |
Musical: „Tanz der Vampire“ Sarah schleicht sich nachts aus dem Haus, schnappt sich die Roten Stiefel, die Krolock für sie hat überbringen lassen, und will sich auf den Weg zum Ball machen, als sie von Alfred, der schmachtend vor ihrem Fenster steht, zunächst aufgehalten wird. Aber Sarahs Drang nach Freiheit und dem Unbekannten ist stärker... |
| Die roten Stiefel / Stärker als wir sind / Das Gebet | Celena Pieper Raphael Groß Jonas Hein |
Musical: „Tanz der Vampire“ Verlockend sind die roten Stiefel – Sarah zieht sie an und macht sich auf ins Schloss des Grafen von Krolock. Ursprünglich war der Titel eine reine Tanzszene, aber später kamen mit „Stärker als wir sind/Das Gebet“ gesungene Passagen für die gesamte Cast hinzu, die den Zwiespalt zwischen dem Drang nach (verbotenen) Abenteuern und der Vernunft zum Ausdruck bringen. |
| Für Sarah | Raphael Groß | Musical: „Tanz der Vampire“ Alfred ist mit dem Professor im Schloss des Grafen Krolock. Während Professor Abronsius in Begeisterungsstüme angesichts der Bibliothek ausbricht, fürchtet sich Alfred in dem unheimlichen Vampirschloss. Nur seine Liebe zu Sarah gibt ihm Kraft und Mut. Für sie will er stark sein, sie will er befreien. |
| Tot zu sein ist komisch | Celena Pieper | Musical: „Tanz der Vampire“ Magda schleicht sich nachts die Treppen hinunter, um den totel Chagal zu betrachten, der aufgebahrt im Haus liegt. Sie erinnert sich an seine ständigen Übergriffe und kann kaum glauben, dass der Grobian nun plötzlich tot ist und still und reglos daliegt. Wobei – still und reglos? Naja… |
| Bücher | Lukas Witzel | Musical: „Tanz der Vampire“ Professor Abronsius und Alfred schleichen durch auf der Suche nach Sarah das Schloss des Vampirgrafen. Doch beim Anblick der gräflichen Bibliothek vergisst der Professor alles: Bücher, so weit das Auge reicht. Abronsius verliert sich zwischen alten Griechen und deutschen Philosophen. |
| Badezimmer | Raphael Groß Celena Pieper | Musical: „Tanz der Vampire“ Während Professor Abronsius der Faszination der Wissenschaft erliegt, sucht Alfred trotz seiner Angst weiter und findet Sarah im Badezimmer. Er beschwört sie, mit ihm zu fliehen - aber sie hat nur den Ball und ihren anstehenden Tanz mit dem Grafen im Kopf. |
| Totale Finsternis | Jonas Hein Celena Pieper |
Musical: „Tanz der Vampire“ Die junge Sarah kann der Anziehungskraft des Grafen von Krolock nicht mehr widerstehen und lässt sich auf das gefährliche, tödliche Spiel ein. |
| Die unstillbare Gier | Jonas Hein | Musical: „Tanz der Vampire“ Fast menschliche Züge zeigt der finstere Vampir, als er seine Geschichte erzählt. Er singt von seiner tiefen Sehnsucht nach Liebe und von der bitteren Erkenntnis, dass diese auf ewig unstillbar bleiben muss. Auch den „Sterblichen von morgen“ prophezeit er ein Leben, das letztlich nur von der Gier regiert wird, nicht etwa von menschlichen Werten. |
| Objects In The Rear View Mirror May Appear Closer Than They Are | Jonas Hein Raphael Groß Lukas Witzel (Celena Pieper) |
Musical „Bat Out Of Hell“ Die „Lost“-Mitglieder Jagwire, Blake und Ledoux können Strats Tod nicht fassen. Unter dem Schock der Ereignisse berichten sie einander von den prägenden Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit: der Unfalltod eines guten Freundes, ein gewalttätiger Vater oder die Frau, die ohne Erklärung geht. Bis heute haben die drei diese bitteren Erfahrungen nicht verarbeitet, sondern leiden immer noch darunter. Und in bestimmten Situationen scheint es, als wäre das alles noch gar nicht so lange her. |
| For Crying Out Loud | Raphael Groß Celena Pieper |
Musical „Bat Out Of Hell“ Raven kann es kaum fassen: Strat lebt. Zahara und Tink haben ihn an einem geheimen Ort versteckt. Für einen kurzen Moment sind Raven und Strat miteinander glücklich. |
| Heaven Can Wait | Celena Pieper | Musical „Bat Out Of Hell“ Raven betrauert Strats vermeintlichen Tod. Sie gibt sich die Schuld an seinem Motorradunfall, weil sie Strat aus Angst vor Falcos Rache verlassen hat und er daraufhin voller Trauer und Wut davongerast ist. |
| It's All Coming Back To Me Now | Lukas Witzel | Musical „Bat Out Of Hell“ Monate nach den dramatischen Ereignissen wenden sich die Dinge doch noch zum Guten: Strat schleicht sich erneut heimlich in Ravens Zimmer und entschuldigt sich. Er hatte ihr vorgeworfen, schuld an Tinks Tod zu sein. Beide erkennen, dass sie sich immer noch lieben. Auch Sloane erkennt, dass ihre Gefühle für Falco noch längst nicht erloschen sind. |
| I’d Do Anything For Love (But I Won’t Do That) | alle + Patrick Stanke |
Musical „Bat Out Of Hell“ Die drei Paare Strat und Raven, Falco und Sloane und Zahara und Jaqwire finden (wieder) zueinander. |