Interview mit David Moore:
Die wollten mich tatsächlich fürs Singen bezahlen
David E. Moore steht derzeit als Papa in „Starlight Express" auf den Rollschuhen. Den Anfang nahm seine musikalische Karriere mit „Miss Saigon", viele Hauptrollen in Musicals wie „Rent", „West Side Story" oder „Jekyll & Hyde" folgten ebenso wie ein Ausflug ins Opernfach. Und das alles hat eigentlich ganz zufällig begonnen. Im Interview spricht Moore im Rahmen des Konzerts "Klangbilder" unter anderem darüber, wie er zum Musical gekommen ist und was den Erfolg von "Starlight Express" ausmacht.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Janet Chvatal und Marc Gremm für das Konzert „Klangbilder"?
Janet hat mich schon im November 2011 angerufen und ich dachte zuerst „Wer ist dat denn? Ich kenn' sie net".
Also sagte ich ihr, sie soll sich an meinen Manager wenden. Dann erklärte sie, dass DMJ – David Michael Johnson – ihr gesagt hätte, sie solle mich ansprechen. Das war natürlich etwas anderes. „Du kennst DMJ? Dann ist es ok". Gestern, als ich hier angekommen bin, haben wir erst herausgefunden, dass Marc und ich schon mit den „Musical People" zusammen unterwegs waren. Das hatten wir beide ganz vergessen. Ja, und jetzt bin ich hier.
Wie muss man sich so eine Probe vorstellen?
Normalerweise stehe ich ja nicht so früh auf, heute war ich schon um 5 Uhr morgens hellwach und bin seit 12 Uhr hier im Festspielhaus. Es ist super gelaufen: wir haben Soundcheck gemacht, den technischen Auflauf und die Duette geprobt; in knapp drei Stunden beginnt die Show, aber vorher proben wir noch die beiden Lieder mit den 150 Kindern. Wobei ich schon Angst habe (lacht). Ich liebe Kinder, aber die sind so schnell, und so hektisch und es sind so viele. Meine beiden sind schon erwachsen, deshalb bin ich im Umgang mit kleinen Kindern etwas aus der Übung. Auf jeden Fall werden wir das jetzt noch proben.
So kurz vor der Show?
Ja, wir haben alles heute geprobt. In dem Fall haben wir uns nicht vorher getroffen. Eigentlich bin ich ja einer von denen, die klare Pläne brauchen. Vielleicht weil ich mich „Schwabe" nenne – ich bezeichne ja Stuttgart als meine Heimat. Aber heute war das nicht so. Bis jetzt hat alles sehr gut geklappt. Das hier ist auch keine dieser sterilen Veranstaltungen, es entwickelt sich alles in einer eher familiären Atmosphäre. Diese kritischen Proben, die ich so liebe, sind hier gar nicht nötig, es läuft alles sehr relaxt ab.
Wer traf die Auswahl der Titel, die Sie bei „Klangbilder" singen?
Wir haben das gemeinsam entschieden. Janet hat mich gefragt, was ich singen möchte. Ein bisschen schwierig war nur, dass ich nicht genau wusste, was für ein Programm es wird, was wir rüberbringen sollen. Also habe ich ihr einfach eine Liste mit zehn Liedern gemacht. Allerdings wollte sie unbedingt, dass ich ein „We will rock you"-Medley singe. Nun, ich würde zwar nicht sagen, dass ich es gar nicht mag, aber es ist eigentlich nicht so mein Ding. Ich bin weniger ein Rocker, sondern mehr ein Charmeur.
Kannten Sie Füssen und das Festspielhaus schon?
Ja, das Haus und auch Füssen. Als ich noch bei der US Airforce war, kam ich öfters in diese Gegend zum Skifahren. 1980 war ich das erste Mal in Deutschland und habe natürlich auch Neuschwanstein besucht – das „Walt Disney Castle".
Ist das nicht eher das „Ludwig-Castle"?
Ja, genau (lacht). Im Nachhinein habe ich das herausgefunden. Aber für uns in den USA ist es das Disney-Castle, das Schloss von Tinkerbell. Ich war öfters hier. Im Festspielhaus habe ich das Musical über König Ludwig gesehen, aber selbst auf der Bühne stand ich hier bisher noch nicht. Es ist toll – die Bühne ist riesengroß, der Sound ist einwandfrei, der Saal ist sehr schön gestaltet. Ich freue mich sehr auf das Konzert.
Wenn man Ihren Lebenslauf anschaut, fällt Ihre unglaubliche Vielseitigkeit auf: Sie haben ein Informatik-Studium abgeschlossen, waren einige Jahre bei der US Airforce und sind erst relativ spät zum Singen gekommen, richtig?
Ja, das stimmt. Sehr spät. Ich war 38. Zum Ende meiner Militärzeit war ich in Stuttgart stationiert und dachte, ich bleibe noch ein paar Wochen, ich hatte Freunde da und – ja – mir hat es dort gefallen. Aus den Wochen wurden Monate, dann zwei Jahre – und ich war immer noch da. Also habe ich überlegt, wie es nun weitergehen sollte. Ein Freund von mir hat in Stuttgart eine Disco eröffnet. Eines Abends – ich muss zugeben, ich war nicht mehr ganz nüchtern – stand ich hinter der Bar und habe einfach laut mit der Musik mitgesungen. Zufälligerweise war das Castingteam von „Miss Saigon" unter den Gästen. „Junge, Du solltest sofort zum SI-Centrum hochgehen und vorsingen", sagten die. Ich konnte es gar nicht glauben, aber die meinten das tatsächlich ernst. DMJ und Bernie Blanks, die in der Disco Stammkunden waren, redeten mir zu, das unbedingt zu machen. Meinen Einwand, dass ich so was doch gar nicht könne, ließen sie gar nicht gelten. ‚Wir bringen dir alles bei, wir kriegen das alles hin, mach Dir keine Sorgen, geh da hoch und singe vor.' Also bin ich hingegangen. Und habe am gleichen Tag meinen Vertrag für „Miss Saigon" bekommen.
Sie hatten vorher noch nie gesungen?
Nein. Als Kind und in der Kirche schon. Sonst nicht. Nie. Und auf gar keinen Fall für Geld. Und jetzt wollten die mich tatsächlich dafür bezahlen, dass ich singe?! Ich war total unerfahren, und so gab mir das Kreativteam zunächst eine etwas längere Probezeit. Aber schon nach kurzer Zeit hieß es: Vergiss die Probezeit – Du gehörst dazu. So hat es angefangen.
Haben Sie später noch eine Gesangsausbildung gemacht?
Nein. Das hat sich nie ergeben. Ich hatte ja sofort die Zweitbesetzung für John bekommen, eine der Hauptrollen. Ehrlich – ich konnte das selbst kaum glauben und wusste ja gar nicht, ob das alles so klappt. Aber ich sagte „Ja, ok, ich mach's". Was konnte schon schiefgehen? Hätte es nicht funktioniert, wäre ich einfach wieder zurück in meinen Club gegangen. Ich war zwei Jahre bei "Miss Saigon" und spielte später die Rolle als Erstbesetzung. Und dann – hat es nie wieder aufgehört. Es ging direkt weiter zu „Starlight Express", dann weiter zu „Rent". Dann war ich sechs Jahre in Schweden, wieder mit „Miss Saigon". Dann habe ich tatsächlich auch Oper gemacht – „Carmen" und Tamino in der „Zauberflöte". Ich habe einfach die Aufnahmen 1.000-mal angehört und festgestellt, okay, um dorthin zu kommen muss ich das machen – und hatte es. Ich weiß nicht warum, aber so war es.
Aktuell spielen Sie in Papa in „Starlight Express" – wie schon von 1998-1999, aber damals noch unter dem Management der Stella. Heute läuft das Stück unter Maik Klokows Firma Mehr! Entertainment. Merkt man als Künstler Unterschiede, wenn das Management ein anderes ist?
Ich war zwölf Jahre weg, aber ich merke keinen großen Unterschied. Das lustige ist, dass ich Maik Klokow noch von „Miss Saigon" kannte; er war damals Technischer Leiter dort. Auch unseren zweiten Geschäftsführer, Günter Irmler, kannte ich noch von 1994. Deshalb war es für mich fast wie ein Nach-Hause-Kommen. Als ich damals anfing, hatte ich noch nicht sehr viel Erfahrung. Das, was ich damals bei „Starlight Express" gelernt habe, ist, wie es meiner Meinung nach sein soll. Ich freue mich, jetzt wieder dabei zu sein. Ich finde, die machen es gut, die kümmern sich um uns und ich habe ein gutes Verhältnis mit allen. Auch das Rollschuhlaufen klappt noch besser – ich bin zwar zwölf Jahre älter, aber es klappt irgendwie besser. Vielleicht, weil ich ein bisschen ruhiger geworden bin. Es war ja nicht so, dass ich vorhatte, im Musicalbereich Karriere zu machen. Es hat mir einfach so viel Spaß gemacht, dass ich immer wieder dachte: „Ach ja, das ist lustig, das mache ich" und „Okay, das mache ich auch noch." Es war mehr eine Lieblingsbeschäftigung. Ich hatte immer noch meine Ausbildung, mein Diplom. Ich war natürlich zuverlässig, aber ich habe alles nicht so schrecklich ernst genommen. Ich bin eben ein bisschen Rollschuh gelaufen und hatte großen Spaß, aber ich habe das alles lange Zeit eher als Hobby betrachtet. Inzwischen sind fast 20 Jahre vergangen – jetzt ist das natürlich mein Beruf. Meine Einstellung hat sich verändert. Ich bin ernster geworden.
„Starlight Express" läuft seit 24 Jahren in Bochum. Worauf führen Sie diesen Dauererfolg zurück?
Ich denke, es ist ganz einfach: Zum einen ist die Geschichte an sich einfach ansprechend. Es gibt keinen großen Denkprozess, man kann loslassen, man muss nicht an Krieg denken, wie bei „Miss Saigon" oder in die Vergangenheit zurückgehen wie bei „Ludwig". Du kannst dich einfach hinsetzen und ein paar Stunden abschalten. Die Kostüme sind schrill, die Beleuchtung außergewöhnlich, ebenso wie die Halle selbst: Die Zuschauer sitzen mitten im Geschehen, wirklich mittendrin. Die riechen uns, die spüren uns. Ich spucke jeden Abend beim Singen auf die Leute in der ersten Reihe. Es ist sehr schnell, rasant – es ist einfach, diese Show zu mögen. Die Story ist leicht, farbenfroh, laut, spektakulär und außergewöhnlich. Oft besuchen drei Generationen – Opa, Sohn, Enkel – gemeinsam die Show. Mittlerweile ist „Starlight Express" zu einem Stück Bochum geworden. Das Niveau der Show ist sehr hoch, denn das Management versucht immer, die besten Darsteller zu engagieren.
Dennoch sind die Darsteller in der deutschen Musicalszene namentlich meist weniger bekannt als beispielsweise die Darsteller aus „Tanz der Vampire" oder „Elisabeth". Woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen?
Ja das stimmt. Die meisten nicht. „Starlight Express" ist ein Ensemble-Stück. Es geht um das Stück als solches, um die Einheit des Ganzen, nicht um die Personen, die Rusty oder Papa verkörpern. Ich bin der Meinung, dass dies ein großer Unterschied ist. Die Leute sehen „Starlight", nicht David Moore in „Starlight". Der Kult hat sich mehr um das Stück als um die Künstler entwickelt. Es gibt Fans, die sind unglaublich. Ich kenne eine Frau, die hat „Starlight Express" 2.800 Mal gesehen. Und sie ist kein Püppchen, sondern sie ist Elektroningenieurin, sogar mit Doktortitel. Oder eine Zahnärztin mit eigener Praxis, die schon seit ihrem Studium jedes Wochenende im Haus arbeitet, weil sie es auch jetzt einfach nicht missen möchte. Das ist wie beim Fußball – es gibt Leute, die gehen jede Woche hin. Wir kennen einen Mann, der ist verheiratet, hat zwei Kinder, der ist jedes Wochenende da. Jedes. Freitag, Samstag, Sonntag. Ab und zu kommen die Kinder mit, aber er ist jedes Wochenende da. Es gibt viele davon. Aber auch diese Fans kommen wegen des Stücks. Natürlich haben die meisten schon einen Lieblings-Papa oder Lieblings-Rusty, aber die Leute kommen wegen des Stücks, nicht, weil sie David Moore hören wollen. Und ich finde, das ist gut so. Genau deshalb läuft „Starlight Express" auch so lange. Wenn man zum Beispiel Pia Douwes aus einer Show herausnimmt, oder Uwe Kröger, oder Ana Milva Gomes, dann geht die Show natürlich weiter, aber gleichzeitig hat das Stück etwas verloren, die Leute sind enttäuscht. Und das gibt es bei uns nicht. Unsere Besucher erwarten, dass wer immer auf der Bühne steht, einfach Papa ist, nicht David Moore. Im Gegensatz dazu wird bei vielen anderen Shows erwartet, dass die Zweitbesetzung Pia oder Uwe „spielt". Oder Kevin. Bei uns ist das wirklich anders.
Gibt es außer Ihrem laufenden Engagement weitere aktuelle Projekte?
In Schweden habe ich noch eine Jazzband, mit Musical People bin ich ca. zehnmal pro Jahr unterwegs. Dann gibt es schon seit ca. 15 Jahren meine Weihnachtsshow „Christmas Moments". Wir sind auch 2012 wieder auf Deutschlandtour, mit 26 Auftritten. Und sicher kommt im Lauf des Jahres noch das eine oder andere Konzert dazu, soviel, wie mein Urlaub bei „Starlight Express" zulässt.
Interview: Sylke Wohlschiess
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