Interview mit Oedo Kuipers:
Stets an des Königs Seite
Nach elfjähriger Pause ist König Ludwig II. ins Festspielhaus Füssen zurückgekehrt. Mit dabei: Oedo Kuipers. Mit Blick auf Schloss Neuschwanstein sprachen wir mit ihm über seine Rolle als Graf Dürckheim in Benjamin Sahlers Neuinszenierung des Musicals „Ludwig²“.
Von der Weltstadt Wien ins kleine Füssen: Wie kam es zu Ihrem Engagement bei „Ludwig²“?
Der erste Kontakt kam über meine Freundin Dorothea Baumann zustande. Dorothea und Patrick Schenk, unser Produktionsleiter hier in Füssen bei „Ludwig²“, kannten sich von einer früheren Zusammenarbeit. Er hat sie angerufen und gefragt, ob es ihr nicht gefallen würde, die Sophie von Bayern zu spielen. Er meinte, das sei ein perfekter Part für sie. Sie antwortete „ja, das klingt gut. Darf Oedo vielleicht auch mitmachen?“ (lacht). So fing das an. Damals waren Dorothea und ich bei „Mozart!“ in Wien engagiert und dort sehr eingebunden, also haben wir Audioaufnahmen geschickt. Die wurden alle für gut befunden – und nun bin ich hier.
Waren Sie vorher schon einmal in Füssen?
Nein, noch nie. Auf der Fahrt in den Italienurlaub habe ich vielleicht mal das Schild mit der Aufschrift „Füssen“ gesehen, aber ich war vorher noch nie hier. Ich wusste gar nicht, dass es in Füssen so ein schönes Theater gibt. Bisher konnte ich leider noch nicht viel anschauen, denn es waren ständig Proben. Wenn dann doch mal ein bisschen freie Zeit ist, möchte man auch einfach relaxen. Die Innenstadt habe ich aber schon gesehen – dort ist es ja wunderschön. Mir gefällt diese malerische Anordnung der verschiedenfarbigen Häuser in rosa, weiß und gelb sehr gut. Eine ganz tolle Atmosphäre ist das.
Bei „Mozart!“ spielten Sie die Titelrolle, hier ist es mit dem Grafen Dürckheim ein kleinerer Part.
Ja, das stimmt. Den Druck, den man als Hauptdarsteller einfach hat, kenne ich ja schon. Es ist auch mal schön, diesen nicht so zu spüren. Aber ich bin ja auch alternierend für die Titelrolle besetzt, die Anspannung ist also doch wieder da. Insgesamt werde ich König Ludwig II bei vier Vorstellungen spielen, letztes Wochenende war auch meine große Ludwig-Probe. Es macht Spaß, auf jeden Fall. Aber wenn ich dann am nächsten Tag wieder hier bin, und nicht Ludwig, sondern wieder den Dürckheim probe, finde ich das auch superklasse. Die Situation ist hier für Dorothea und mich genau umgekehrt wie in Wien. Dorothea spielt ja außer Sophie auch alternierend die Elisabeth. Sie spielt den Sisi-Part öfter, so kann jetzt ich sie ein bisschen mehr unterstützen. Das freut mich auch sehr.
Hätten Sie für den Grafen Dürckheim auch ohne das Cover für die Titelrolle zugesagt?
Ich glaube schon. Doch, ja, auf jeden Fall. Als ich das Material bekommen habe, dachte ich im ersten Moment sogar, ich hätte vielleicht lieber nur den Dürckheim machen sollen (lacht). Ludwig, das ist ja richtig viel. Und die Rolle des Grafen Dürckheim ist auch nicht gerade klein, irgendwie ist er immer dabei. Er hat zwar nur einen großen Song, das „Freundschaftsduett“ zusammen mit König Ludwig, aber er ist sehr oft auf der Bühne. Die Rolle entwickelt sich über das ganze Stück, nicht nur in den Liedern, sondern auch in den Spielszenen. Graf Dürckheim sagt oft nur zwei Sätze, aber er muss auf vieles reagieren, was passiert. Daraus kann man auch Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit ziehen: Er ist eher zurückhaltend und sagt nur dann etwas, wenn er absolut überzeugt ist, dass es nötig ist, dass er sich einbringen muss.
Auch in der Realität war Graf Dürckheim für König Ludwig ein wichtiger Mann.
Ja, das war er. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich mit der historischen Persönlichkeit - wie schon bei „Mozart!“ - nicht zu ausführlich befasst habe. Ich denke, wenn man auf diese Art an eine Rolle herangehen will, muss man sich ganz intensiv einlesen. Mich würden zu viele Informationen zu sehr einengen. Man weiß im Voraus auch nie, wie der Regisseur die Rolle angelegt haben möchte. Ich weiß natürlich, dass Dürckheim und der König sich nicht schon von Kindesbeinen an kannten, sondern sich erst bei Hofe trafen und sich diese Beziehung aus anfänglicher Distanz zu einer Freundschaft entwickelt hat. Aber ich halte mich an das Libretto des Stücks und an die Regieanweisungen, das ist für mich am klarsten.
Was ist für Sie der wichtigste Aspekt Ihrer Rolle?
Ich denke immer, ich muss einen Menschen spielen. Und ein Mensch bin ich ja selber auch. Als Graf Dürckheim möchte ich klar vermitteln, dass Ludwig in ihm einen Fels in der Brandung hat, jemanden, auf den er sich in jeder Situation hundertprozentig verlassen kann. Dürckheim ist immer an der Seite des Königs, er zweifelt nicht, er steht treu zu ihm. Zuerst ist die Beziehung sehr distanziert, sehr höflich. Man erkennt dann auch im Stück, wie sich im Verlauf der Zeit daraus eine wirklich enge Freundschaft entwickelt.
Als alternierende Besetzung der Titelrolle spielen Sie nur wenige Shows. Ist es überhaupt möglich, so eine tragende Rolle dennoch auszufüllen?
Genau das habe ich mich in Wien in Bezug auf meine „Mozart!“-Cover auch gefragt. Ich dachte, das muss für meine Kollegen unglaublich schwer sein. Wenn man oft spielt, bekommt man Routine und man wächst in die Rolle mehr und mehr hinein. Hier in Füssen sind es insgesamt nur 29 Shows, da ist klar, dass ich nicht so oft spielen kann. Ich bin öfter mal etwas früher im Theater, um die Lieder zu singen. Während der Show versuche ich, in den Szenen, in denen ich nicht selbst als Dürckheim auf der Bühne stehe, zuzusehen, was Matthias (Anm. der Redaktion: Matthias Stockinger, Erstbesetzung König Ludwig II.) macht und dabei zu überlegen, was ich davon für mich und meine Darstellung umsetzen kann. Von den früheren Inszenierungen habe ich nur ein paar Clips gesehen, sonst nichts. Das wäre nicht gut, denn sonst orientiert man sich unbewusst zu sehr an anderen Inszenierungen.
Im „Freundschaftsduett“ singt Ludwig „Mein Adjutant reich mir die Hand, schenk mir den Himmel über Dir“. Wie interpretieren Sie diese Worte?
Das ist ein ganz zentraler Punkt. Ich glaube, Ludwig hat alles, was es an Annehmlichkeiten gibt. Aber er träumt immer weiter. Er will enge menschliche Bindungen, kann sich aber gar nicht wirklich darauf einlassen. Das ist ja das Tragische an König Ludwig II. Mit Sisi, mit Otto, mit Dürckheim, überall sucht er Nähe, aber seine sensible Persönlichkeit kann diese Nähe dann irgendwie nicht aushalten. Er sagt ja auch im Stück, dass jede Berührung mit der Welt in verletzt. Er will Beziehungen, kriegt es aber irgendwie nicht hin. Im Musical ist das tragisch und gleichzeitig auf sehr berührende Art schön.
Was bedeutet Freundschaft für Sie persönlich?
Sehr viel. Ich war vor eineinhalb Wochen auf einer Hochzeit in Holland, da kamen viele Freunde wieder zusammen. In unserem Beruf ist es sehr schwer, Freundschaften zu pflegen. Wir haben Freunde in Hamburg, in Berlin, in Amsterdam, in Wien. Man sieht sich einen Tag, ein paar Stunden oft nur, dann muss man sich schon wieder trennen. Das ist hart. Man darf aber diese Beziehungen nicht aufgeben, und echte Freundschaften halten das auch aus. Bei einer guten Freundschaft muss man nicht ständig zusammen sein. Auch, wenn man einander ein paar Wochen oder Monate nicht gesehen hat und sich dann wieder trifft, kann man zusammen dort weitergehen, wo man aufgehört hat. Ich glaube, das ist eine wichtige Basis für eine gute Freundschaft.
Interview: Sylke Wohlschiess