Interview mit Sascha Lien:
„…da bist du einfach glücklich.“
10.07.2018 - Sascha Lien im Interview zu Rockmusik und Musicals
Wenn Sascha Lien bei „Rock Of Ages“ richtig loslegt, ist sogar das gesetzte Abopublikum im Theater Ulm kaum noch zu halten. Wieso er Drew Boley eigentlich gar nicht spielen muss, warum er wirklich zu „We Will Rock You“ wollte, wann ihm das Messer in der Tasche aufgeht und was ein Rocksänger zu seinem Glück braucht, verrät Sascha Lien bei einer Zeitreise in die 1980er.
Ausverkaufte Shows, Zugabe-Rufe und Stimmung wie auf einem Rockkonzert. „Rock Of Ages“ in Ulm schlägt Wellen.
Es ist unbeschreiblich. Wir spielen nur 17 Shows – bei einer Long-Run-Produktion ist man damit in eineinhalb Wochen durch – aber man hätte gut und gerne doppelt so viele Vorstellungen ansetzen können, die Karten wären genauso schnell weg gewesen. Bei jeder Vorstellung ist das Publikum spätestens am Schluss kaum noch zu halten. Die Rockfans sowieso. Die kommen natürlich wegen der Musik, die ganz offensichtlich immer noch eine Menge Leute anspricht: Bon Jovi, Journey, Foreigner. Was will man da falsch machen? Aber auch die Damen und Herren, die sich erstmal nur zu „Rock Of Ages“ verirren, weil sie ein Theaterabo haben, stehen am Ende singend im Saal.
Merkt man von der Bühne aus die unterschiedlichen Zusammensetzungen des Publikums?
Ja, total. Manchmal ist es ein Unterschied wie Tag und Nacht. Es gibt Momente bei „Rock Of Ages“, die bewusst so geschrieben sind und so gespielt werden, dass man auch mal dreckig lachen darf. Aber an manchen Abenden kommt anfangs gar keine Reaktion. Die konservativeren Theatergänger sind vielleicht im ersten Moment etwas vor den Kopf gestoßen, wenn wir mit gewissen Ausdrücken um uns werfen und reagieren erstmal verhalten. Aber man merkt förmlich, wie sie sich auf das Stück einlassen und am Ende genauso nach Zugabe rufen, wie alle anderen. Bei anderen Vorstellungen, da sieht man im Publikum schon haufenweise Bandshirts. Da singt man kaum den ersten Ton und der Funke springt sofort über. Meinem Eindruck nach sind die meisten Besucher über 30, die ganz jungen sehe ich eher vereinzelt.
Warum das wohl so ist?
Ganz bestimmt hängt das mit einer gewissen Nostalgie zusammen, mit Jugenderinnerungen.
Sascha Lien: „Ich wollte Rockstar werden“
Was kommt Dir denn spontan in den Sinn, wenn Du an die 80er zurückdenkst?
Richtig gute Musik, die erste Liebe und vor allem: unser Jugendzentrum. Dort traf sich alles und jeder, Popper und Rockfreaks. Ich gehörte natürlich zu den Rockern, zu denen, die mit der Bierflasche in der Hand auf die Tanzfläche gingen. Wir waren ziemlich cool (grinst). Damals hatte ich meine erste Band.
Das klingt eigentlich genau wie bei Drew Boley. Deine Darstellung der Figur ist ungewöhnlich authentisch. Wie schaffst Du das?
Ich denke gar nicht so viel darüber nach, sondern mach‘ einfach. Ich habe das alles ja selbst so erlebt. „Rock Of Ages“ ist für mich eine Zeitreise, auf die ich mich komplett einlasse. Das fing schon bei den Proben an und ging mit den Shows weiter. Es fühlt sich an wie Urlaub in den 80ern. Drew ist ich in dieser Zeit, mit genau den Träumen, die ich damals hatte. Vor allem war ich selber in genau diesen Clubs am Sunset Strip, in denen auch das Musical spielt.
Echt jetzt?
Ja. Ich wollte Rockstar werden. Also musste ich einfach diese Atmosphäre erleben. Ich wollte sehen, wo die ganzen Rocksänger abhängen und dabei sein. So stand ich dann mit Anfang 20 in L.A., direkt vor dem „Whiskey“; so heißt der „Bourbon Room“ aus dem Musical im Original.
Hast Du ein paar Stars getroffen?
Klar. Oder besser: Gleich als erstes ist mir einer besoffen entgegengefallen. Das werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Ein paar Blocks neben dem „Whiskey“ war der Club, in dem diese ganzen Leute privat verkehrten, das „Rainbow“. Ich geh‘ da also hin, öffne die Tür – und dieser Typ fällt mir mit halb verdrehten Augen entgegen, krächzt ein „sorry man“, windet sich um mich herum auf den Bürgersteig und zündet sich eine Kippe an.
Und? Wer war’s?
Lemmy.
Aber nicht der Sänger von Motörhead?
Genau der.
Nein.
Doch. Ich dachte, ich spinne. Dann bin ich erstmal rein und da waren an dem Abend auch Axl Rose und David Lee Roth. Wie gesagt: Das „Rainbow“ war für diese Leute die normale Umgebung. In Berlin trifft man in den einschlägigen Kneipen auch Schauspieler. Die sitzen da ungezwungen rum, essen was, trinken was. Aber sowas in L.A. zu erleben war schon ein Flash. Das waren ja alles Weltstars damals. Diesen Flash habe ich bei jeder „Rock Of Ages“-Show aufs Neue. Es fällt mir ganz leicht, mich in diese Zeit hineinzufühlen. Drew Boley, das bin ich damals.
Bringt das Musical die Atmosphäre realistisch rüber?
Es ist natürlich alles überspitzt dargestellt, aber durchaus realistisch, ja. Mötley Crüe haben vor ein paar Jahren eine Bandchronik veröffentlicht und mal aus dem Nähkästchen geplaudert. Dabei sind die aus dem Fenster fliegenden Fernseher noch das Harmloseste. Es gibt haufenweise Storys, wie sich Rockstars damals auf ihren Tourneen aufgeführt haben. Ich glaube, viele haben es einfach nicht gerafft: kaum aus der Pubertät raus und schon Weltstar. Wenn man in dem Alter jeden Tag hört, dass man wieder soundso viele Millionen verkauft hat und wieder in den Charts ist, dann ist doch vorprogrammiert, dass einige das nicht verkraften. Vor Alkohol- und Drogenproblemen ist keiner gefeit, das kann auch ganz „normale“ Menschen treffen. Wenn einem dann noch täglich suggeriert wird, dass man der König der Welt ist und einem haufenweise Mädels nachlaufen, ist die Gefahr besonders groß, dass man abstürzt. Teils waren ja auch harte Drogen im Spiel. Die Realität nimmt man da nicht mehr wahr. Das war natürlich nicht zwangsläufig so. Jon Bon Jovi ist ein gutes Gegenbeispiel, der war immer sehr straight. Aber viele andere nicht.
In „Rock Of Ages“ wird die Problematik mit Stacee Jaxx zumindest in parodierter Form angerissen. Im Prinzip ist Stacee Jaxx eine tragische Figur, ein Sänger, der richtig gut war und nun als Karikatur seiner selbst herumstolpert. Die Mädels fallen bei seinem Anblick zwar immer noch reihenweise um, aber das ist mehr seinem vergangenen Ruhm geschuldet. Es gibt ja leider viel zu viele Musiker, die den Drogen oder Alkohol zum Opfer gefallen sind. Auch Jani Lane, der Sänger von Warrant. Er hat „Heaven“ geschrieben, den Song, mit dem Drew sich die ganze Zeit abmüht. Oder nimm‘ Aerosmith. Heute ist das anders, aber in den Anfangsjahren ging es bei denen auch wild zu.
Aerosmith fehlt bei „Rock Of Ages“.
Stimmt, die fehlen komplett, obwohl Aerosmith eine der Vorzeigebands der Glam-Rock-Zeit ist und wir ja sogar wie Steven Tyler Tücher am Mikroständer haben. Da würden mir auf Anhieb sofort Titel einfallen, die passen.
„Dream On“?
Auf jeden Fall. Obwohl, das ist älter, das kam schon Anfang der 70er. Aber „Dude Looks Like A Lady“ oder „Love In An Elevator“ - die haben so viele Kracher. Steven Tyler hat mich früher auch sehr inspiriert. Vielleicht nicht unbedingt von der Art des Singens, aber das Bluesige, das habe ich mir von ihm ein bisschen herausgehört. Er ist einfach Mr. Rock 'n' Roll. Wenn er auf der Bühne steht, ist sein ganzer Körper nur noch Sex. Er ist einfach der Hammer. Den würde ich ja zu gerne mal persönlich treffen.
Gibt es noch mehr Songs, die im Musical fehlen, die Du aber gerne dabei gehabt hättest?
Oh Gott, ja. „Separate Ways“ von Journey. Oder „Miles Away“ von Winger. Die hatten ein paar hammermäßige Balladen und waren groß in den Charts. Heute gibt es die Band gar nicht mehr. Aber ich finde es ja schon gut, dass in der Musicalversion im Vergleich zum Film zusätzliche Songs dabei sind. „High Enough“ von den Damn Yankees beispielsweise, das Navina (Anm. der Redaktion: Navina Heyne, Darstellerin der Sherrie in „Rock Of Ages“) und ich singen, als wir uns wieder begegnen.
Als Drew das nette Boygroup-Outfit trägt?
Genau (lacht). Das ist eine Mörderballade. Die kam übrigens gerade neu heraus, als ich in L.A. war und lief in jedem Radiosender rauf und runter. Das ist noch so ein Flashback-Moment, der in mir durch „Rock Of Ages“ momentan wieder ganz präsent ist. Ich wollte den Song unbedingt haben, wusste aber den Titel nicht. Also bin ich in einen Plattenladen gegangen und habe denen das Lied vorgesungen. Sie haben es erkannt (grinst). Leider gab es die Band nicht lange, obwohl ganz bekannte Leute dabei waren, wie Gitarrist Ted Nugent oder Sänger Tommy Shaw, der vorher bei Styx war. Aber nach der zweiten CD kam schon diese Seattle-Zeit mit Bands wie Nirvana, die die Rockszene in gewisser Weise abgelöst hat. Ein paar wenige Bands konnten sich bis heute hinüberretten, Bon Jovi zum Beispiel. Von denen ist auch nur ein Song dabei, aber „Bed Of Roses“ hätte man auch reinnehmen können. Obwohl das nicht mehr ganz 80er war, das war schon Anfang der 90er. Aber „Living On A Prayer“ vielleicht.
Oder „Never Say Goodbye“.
Super Song. Genau, der hätte auch gepasst. Irgendwann hätte man dann eine extended version über acht Stunden gehabt (lacht). Es gab in den 1980ern einfach so viel gute Musik und wöchentlich kamen neue Titel dazu. Schade, dass man das Musical nicht einfach erweitern kann. Aber man muss sich natürlich an die Vorlage halten. Außerdem ist ja alles mit Rechten verbunden. Wenn man eine Geschichte um bestehende Songs herum strickt, braucht man die Nutzungsrechte vom Verlag. Vermutlich ist es gar nicht so einfach, die zu bekommen. Vielleicht ist deshalb nichts von Aerosmith dabei. Def Leppard fehlt auch, obwohl die einen Kracher nach dem anderen hatten.
Vielleicht konnten diese Bands einfach nichts mit dem Thema Musical anfangen?
Das könnte ich auch verstehen. Ich komme selber ja auch nicht aus der Musicalbranche, sondern bin da irgendwie reingerutscht. Wenn ich auf einer Musicalbühne stand bzw. jetzt wieder stehe, waren es immer Rockmusicals. Es ist einfach Glück, dass ich in diese Nische perfekt passe. Ich würde mir aber niemals anmaßen, eine Rolle in einem Disney-Stück spielen zu wollen. Das wäre nicht meins und das könnte ich wahrscheinlich auch gar nicht.
Dafür passt es bei „Rock Of Ages“. War das bei Dir wirklich so ähnlich?
Ja, absolut. Ich wusste immer, dass ich Musik machen will. Besser gesagt: Ich wusste, ich werde Rockstar, ich werde reich (lacht). Also habe ich alles auf eine Karte gesetzt.
Das hat Deine Eltern damals sicher begeistert.
Meine Eltern haben mir immer vertraut und mich nie damit unter Druck gesetzt, doch lieber zuerst „etwas Vernünftiges“ zu lernen. Zum Glück, denn mir wäre sonst viel Zeit verloren gegangen. Sie haben täglich angesehen, wie ich mich da reingestresst habe. Ich habe ja nicht einfach den ganzen Tag Musik gehört und abends mal versucht, mich mit einer Band toll zu finden, sondern wirklich geübt und an mir gearbeitet. Mit 15 hatte ich meine erste Band. Vier mal pro Woche war ich bestimmt im Proberaum. Das war meine Welt. Nach den ersten Shows war mir schnell klar, wo meine Probleme liegen. Zu der Zeit war es ganz wichtig, dass der Sänger ganz hoch und ganz lange singen kann.
Aber das kannst Du doch?!
Ja. Aber wenn man das ohne Technik macht, ist die Stimme am nächsten Tag halt weg. Als wir tatsächlich einen Auftritt deshalb absagen mussten, war mir klar, dass ich Technik brauche. Ich wusste, dass die Stimme mit der richtigen Technik viel länger durchhält. Singen war ganz wichtig für mich. Ich wollte möglichst bald besser werden, ich wollte richtig gut sein. Also habe ich mit Gesangsunterricht angefangen und das vier Jahre lang durchgezogen. Aber man lernt nie aus, es ist ein permanenter Prozess, die Stimme zu trainieren.
Sascha Lien über das Songwriting
Hast Du damals schon eigene Songs geschrieben?
Klar. Wir sind nur mit eigenen Songs aufgetreten. Covern war verpönt bei uns.
Warum?
Coverbands, das waren für uns Möchtegern-Musiker, die Hits anderer Leute nachspielen müssen, weil sie selber nicht imstande sind, Songs zu schreiben. Wir haben nicht einmal aus Spaß versucht, die Sachen nachzuspielen, die wir selber gerne gehört haben. Für uns war immer klar, dass wir genauso gute Musik selbst schaffen wollen, wie die, die uns gefällt. Das war unser Anspruch. Wenn es auch mit den englischen Texten damals noch nicht so gut geklappt hat.
Damit hat Drew ja auch so seine Probleme.
Stimmt. Das ist halt „Rockzeug. Metaphern“ (lacht). Natürlich ist das ein Klischee und nicht jeder Song entsteht auf diese Art und Weise. Aber eigentlich trifft es das schon ganz gut. Ich habe auch immer zuerst einen Text gesucht, der sich irgendwie reimt und der einigermaßen passt. Hauptsache, ich konnte die Melodie singen und das Lied ausarbeiten. Bei Drew ist das im Stück auch so: Er versucht krampfhaft, den Song zu schreiben, aber es kommt nur Müll raus. Erst als er ehrlich ist und sich von seiner Liebe inspirieren lässt, sind die passenden Worte plötzlich da.
Funktioniert das Songschreiben bei Dir auch heute noch tatsächlich so?
Jon Bon Jovi singt in „In These Arms“ die Zeile „like a poet needs the pain”. Dass der Dichter den Schmerz braucht, ist natürlich kein neuer Spruch. Aber er trifft voll ins Schwarze. Wenn ich glücklich bin, fällt es mir viel schwerer, Ideen für neue Songs zu entwickeln. Aber wenn ich persönlich von etwas betroffen bin, kommen die Worte einfach so aus mir heraus, ohne dass ich damit Mühe habe. Aber sag mir mal, ich soll einen Happy-Song schreiben, weil wir noch einen Album-Opener brauchen. Daran sitze ich manchmal ganz schön lange. Das klingt jetzt doof, oder?
Nein, gar nicht.
Ich glaube, es hat mit den verschiedenen Emotionen zu tun. Ein Gefühl ist immer besonders intensiv, wenn es an die Substanz geht. Klar, auch hinter Freudentränen steht eine starke Emotion. Aber die wallt auf und am nächsten Tag ist’s auch wieder gut. Wenn man aber jemanden verliert oder wirklich schlimmen Liebeskummer hat, das zieht man doch monatelang mit sich rum. Es beschäftigt einen, ob man will oder nicht. Insofern ist Schmerz wirklich beflügelnd, wenn es darum geht, Lieder zu schreiben.
Braucht es immer eigene Erlebnisse, um die Texte zu schreiben?
Nein, nicht immer. Aber so wird das Ergebnis am ehrlichsten. Die meisten meiner Texte haben schon mit eigenen Erlebnissen oder Empfindungen zu tun. Das muss nicht immer etwas ganz persönliches sein, es kann auch ein Ereignis sein, das ich miterlebe. Ich finde es zum Beispiel richtig schlimm, wenn Tiere leiden. Aber man kann auch Dienst nach Vorschrift machen und einfach einen Text schreiben, weil man ein Lied abgeben muss.
Das geht also schon auch?
Grundsätzlich ja. Die Frage ist nur, ob man mit dem Resultat zufrieden sein kann. Es gibt ein paar Songs, die auf diese Art und Weise entstanden sind, bei denen das nicht der Fall ist. Welche das sind, verrate ich aber nicht (grinst). Aber allzu oft passiert das zum Glück nicht, denn auch Erinnerungen reichen. Wenn man schon einmal Liebeskummer hatte, kann man sich in diese Phase zurückversetzen, wenn’s sein muss mit ein, zwei Gläsern Wein. Oder man hat einen Scheißtag. Dann muss man schreiben. Oder sich zumindest die Fragmente aufschreiben, die einem spontan einfallen. Ich habe eine ganze Bibliothek mit solchen Schnipseln, Texte und Melodiefragmente.
Das heißt, Du komponierst auch?
Ja, immer schon. Entweder auf dem Klavier oder meistens auf der Gitarre. Ich kann nicht richtig gut spielen, ein Gitarrist bin ich nicht. Aber für ein paar Lieder und zum Songschreiben reicht’s. Nur habe ich leider oft nicht genug Zeit. Für so eine kreative Arbeit braucht man auch eine gewisse Ruhe.
Wie kommen Melodie und Text zusammen?
Meistens ist die Melodie zuerst da. Darauf schreibe ich den Text. Aber es kann auch sein, dass mir beides gleichzeitig in den Kopf kommt. Beim Komponieren, vielleicht beim Refrain, habe ich manchmal schon eine Zeile. Die ist einfach da, wie aus dem Nichts. Anfangs vielleicht nur, weil sie gut klingt und mich beim Musikschreiben weiterbringt. Aber es kann auch sein, dass sie schon die Richtung vorgibt, in die der Text gehen könnte. Oder sie bleibt bis zum Schluss und ich schreibe den Text sozusagen um diese Zeile herum, weil ich mich so in den Song, der da gerade entsteht, hineinversetzen kann. Die Melodie ist am wichtigsten, sie muss berühren und ins Ohr gehen. Darauf braucht es einen guten, stimmigen Text. Der Text ist der Zuckerguss. Das müssen schon die richtigen Worte sein. Udo Jürgens hatte „Ich war noch niemals in New York“ jahrelang in der Schublade liegen. Erst als Michael Kunze den Text geschrieben hat, unter dem das Lied jetzt bekannt ist, wurde es veröffentlicht. Erst da hat es perfekt gepasst.
Hast Du auch noch so ein paar Schätzchen in der Schublade?
Oh ja, einige. Zumindest hoffe ich das. Aber im Musikbusiness geht es um so viel mehr, als um gute Songs. Gerade als Sänger steht man meistens im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, deshalb muss man gerade als Sänger seine Band auch perfekt verkaufen können. Freddie Mercury ist das Paradebeispiel. Der ist einfach strotzend vor Selbstbewusstsein auf die Bühne gegangen, hat sich selbst präsentiert und war 100%-ig authentisch. Steven Tyler bringt das heute noch. Der anhaltende Riesenerfolg dieser Bands hängt sicher auch damit zusammen. Natürlich gibt es auch introvertierte Sänger, die äußerst erfolgreich sind. Ich will das gar nicht werten. Für mich war aber klar, dass ich nicht nur mit Stimme, sondern auch mit Performance überzeugen will. Damals war das auch eine wirtschaftliche Frage.
Wie meinst Du das?
Wenn du ein Sänger mit guter Stimme bist und außerdem live richtig abgehst, dann wollen Bands dich haben. Das war mir absolut bewusst. Ich musste zeigen, dass ich der Beste bin, damit ich mir die Bands aussuchen konnte.
Hat das geklappt?
Auf meiner ersten Tour mit der Band Czakan waren wir immerhin Vorgruppe von Uriah Heep, insofern lief es nicht schlecht. Ich war damals 20 Jahre alt, stand aber schon seit fünf Jahren als Rocksänger auf der Bühne. Czakan hat mich für diese Tour unter Vertrag genommen. Wir wollten danach eine zweite Platte aufnehmen, aber sie haben sich dann wieder von mir getrennt, mit der Begründung, ich könne nicht gut genug singen.
Wie ging es Dir da?
Im ersten Moment war ich logischerweise am Boden zerstört. Aber dann hat mir dieser Rauswurf nochmal einen echten Kick gegeben. Ich dachte „jetzt erst recht“. Vielleicht habe ich damals auch einen Dämpfer gebraucht. Ich glaube, ich fand mich schon ziemlich klasse. Aber es ist ungesund, wenn man sich selbst allzu super findet. Ich habe mir Videos von meinen Auftritten angeschaut. Ich wollte wissen, wo ich wirklich stehe und musste dann schon zugeben, dass nicht jeder Ton exakt da saß, wo er hin sollte. Damals gab es noch kein In-Ear-Monitoring. Auf der Bühne war es laut, man hörte sich selber nicht gut. Aber trotzdem…
Was hast Du dann gemacht?
Weiter. Ich habe geprobt, gesungen und Songs geschrieben. Anfang der 1990er war ich Sänger bei der Frankfurter Band Lilian White. Mit unserer Rockmusik im Stil der 80er hatten wir nicht nur in dieser Gegend viele Auftritte, sondern waren auch deutschlandweit in Clubs unterwegs. Reich wurde man dabei nicht, es ging immer gerade so null auf null auf. Ich hatte zusätzlich einen Halbtagsjob, war zwischendurch noch Zivi. Wir haben immer daran geglaubt, dass wir einen Plattendeal kriegen. Aber nach vier Jahren kam das Aus. Die Musikszene hatte sich verändert, die Band fiel auseinander.
Und dann?
Dann kam plötzlich das Angebot einer Coverband aus Franken, Number Nine. Die waren richtig gut im Geschäft, hatten weit über 100 Auftritte jedes Jahr. So zwischen 1995 und 2000 waren professionelle Coverbands gerade in Bayern ziemlich in. Man spielte am Wochenende in Hallen, in die 2.000 Leute passten und hatte ausverkauftes Haus. Es gab ähnlich große Bühnen und ähnlich geiles Licht wie bei den großen Acts. Aber das war nur mit Coversongs möglich.
Aber Du sagtest, dass Covern verpönt war. Warum hast Du das Angebot trotzdem angenommen?
Um ehrlich zu sein: des Geldes wegen. Ich hatte keine Reserven und keine Band mehr. Frankfurt war teuer und ich total abgebrannt. Number Nine war meine Rettung und außerdem eine wirklich gute Band mit Musikern, die einen hohen Anspruch an sich selbst hatten. Und – naja - es war schon irgendwie geil, Berufsmusiker zu sein. Nebenjobs waren nicht mehr nötig, ich konnte mich ganz auf die Musik konzentrieren. Unser Anspruch war, auf unsere Art genau so gut wie die Originalinterpreten zu sein. Geplant war, dass ich ein Jahr bleibe. Nach drei Jahren wollte ich zum ersten Mal aussteigen. Man bot mir mehr Geld und ich bin nochmal zwei Jahre geblieben. Aber nachdem die anderen ja wussten, dass ich eigentlich gehen wollte, war die Stimmung in der Band nicht mehr die beste. Mir ging das Gecovere immer mehr auf die Nerven.
Bist Du in dieser Zeit gar nicht mehr mit eigenen Songs aufgetreten?
Doch, schon. Wir hatten mit Number Nine eine CD mit eigenem Material aufgenommen und legten bei den Konzerten immer eine Runde mit unseren Songs ein. Die kamen auch gut an, es gab durchaus Fanpotential, die Leute haben mitgesungen und alles. Danach war es immer besonders hart, mit Coversongs weiterzumachen. Irgendwann wollte ich das einfach nicht mehr. Mir hat immer etwas gefehlt auf der Bühne. Ich hatte das Gefühl, an diesen Abenden nichts zu hinterlassen. Und Monat um Monat verging…
Musikalischer Richtungswechsel
Dann hast Du Konsequenzen gezogen?
Genau. Ich wollte nicht mehr covern. Ich hatte mein Geld in Studio Equipment investiert und nicht viel auf der Seite. Aber das war mir egal. Hauptsache weg. Zeitgleich hat auch unser Drummer Frank Zumbroich die Band verlassen. Mit ihm habe ich dann mein erstes Album „Momentary Magic“ aufgenommen. Ein halbes Jahr später hatten wir den Plattenvertrag.
„Momentary Magic“ erschien 2001, noch unter dem Namen Alexander Lien. Wieso?
Zu dieser Zeit war der Sänger Sasha sehr populär, der nur unter seinem Vornamen auftrat. Der Name ist ziemlich plakativ. Ich hatte die Befürchtung, dass ich wie ein Trittbrettfahrer wirke, wie jemand, der unter gleichem Namen auch auf die Popschiene aufspringen will. Denn „Momentary Magic“ ist ja ein Popalbum. Damals hatte ich so gar keinen Bock auf Rock mehr. Durch das jahrelange Covern hatte ich mir das irgendwie kaputtgemacht. Irgendwann hatte ich meine innere Abneigung auf die Musik projiziert. Mir gehen heute noch alle Messer in der Tasche auf, wenn ich „Centerfold“ nur höre.
Oh weia, wenn es jetzt bei „Rock Of Ages“ dabei wäre…
Hör auf. Ich würde – na, lassen wir das. Es ist zum Glück nicht dabei. Es war damals wirklich ein harter Job, jeden Abend einen auf Party zu machen mit Liedern, die man einfach nicht mehr hören konnte.
Aber dann gleich die Musikrichtung komplett zu wechseln…?
Ich hatte einfach Lust auf Popmusik. Ich hatte ein neues Ziel, ich wollte im Radio gespielt werden und in die Charts kommen, mit der Musik, die zu diesem Zeitpunkt angesagt war. Das Konzept war, Musik mit Magie zu verbinden. Ich war von klein auf auch von der Zauberei fasziniert. Während der Zeit mit Number Nine habe ich mir schon Zaubertricks bauen lassen und ausprobiert. Ich wollte die Musik durch Bühnenillusionen visualisieren. Viele Shows gab es aber leider nicht mit diesem Konzept, da der Aufwand immer recht groß war und dies eben zu größeren Kosten geführt hat. Darum wurde ich als unbekannter Künstler nicht sehr oft engagiert. Es gab aber immerhin einige TV-Auftritte. Bei Dirk Bach, in der NDR-Talkshow und zwei Mal bei Carmen Nebel.
2005 führte Dein Weg in eine ganz neue Richtung – ins Musical „We Will Rock You“.
Wobei die Musikrichtung ja nicht neu für mich war, Queen habe ich schon gehört, als ich etwa 14 Jahre alt war. Aber ja, Musical hatte ich noch nie vorher gemacht – und bekam plötzlich eine Hauptrolle.
Wie kam es dazu?
Ich hatte gerade mein zweites Album „Wasteland“ aufgenommen. Mein Drummer René Detroy spielte schon seit zwei Jahren bei der „We Will Rock You“-Band in Köln. Wir sprachen über die Show und er meinte, den Galileo würde er mir auch zutrauen. Irgendwann saß ich im Publikum und dann war ich tatsächlich bei der Audition. Aber eigentlich nicht, weil ich dachte, dass ich die Rolle tatsächlich kriegen könnte.
Sondern?
Ich wollte Brian May kennenlernen. Ich wusste von René, dass Brian May die Hauptdarsteller immer selbst auswählt und bei der letzten Runde der Audition persönlich anwesend ist. Das Musical war Nebensache, ich wollte unbedingt Brian May kennenlernen. Queen war für mich vor allem eins: eine absolute Messlatte. Es waren die besten Songs, die besten Musiker, die man sich vorstellen kann. Vor allem Freddie und seine Begabung, die Leute in seinen Bann zu ziehen, hat mich sehr dazu inspiriert, Frontmann einer Rockband werden zu wollen.
Wie lief die Audition?
Zuerst musste ich nur vorsingen. Das lief super, ich kam in die zweite Runde, die sechs Wochen später stattfand. Bis dahin musste ich Text lernen und Szenen vorbereiten. Das kannte ich alles überhaupt nicht. Ich sollte Szenen spielen und hatte noch nie irgendetwas mit der Schauspielerei zu tun. Auch die ganze Situation war mir völlig fremd, ich habe mich gefühlt, als müsse ich mich anbiedern. Vielleicht war ich auch verkrampft, weil ich unbedingt in die Finals wollte.
Um Brian May zu treffen.
Ja. Das war mein absoluter Traum. Aber der war nach Runde zwei erst einmal ausgeträumt. Ich wurde nicht genommen. Das hat mich total genervt, nach dem ganzen Aufwand, den die Auditions mit sich brachten. In der Musicalszene werden Rollen so vergeben, das ist völlig normal. Für mich war es komplettes Neuland.
Wie hast Du dann die Rolle letztendlich doch bekommen?
Ein halbes Jahr später – ich hatte die ganze Sache schon komplett abgehakt – hat aus heiterem Himmel das Produktionsteam angerufen und gefragt, ob ich nicht doch nochmal kommen würde. So richtig begeistert war ich nicht, aber ich dachte, ok, mach‘ ich das halt. Groß vorbereitet habe ich mich aber nicht mehr. Die Songs hatte ich drauf, der Rest war mir mehr oder weniger egal. Wenn ich einen Texthänger habe, dann ist das halt so. Dachte ich. Brian May war nicht da, obwohl es ja um Galileo ging. Das Timing war schlecht, denn ausgerechnet an diesem Tag, es war der 7. Dezember 2005, wurde Brian May in England von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen. Aber die Audition wurde auf Video aufgezeichnet und an ihn geschickt, denn dass er die Hauptdarsteller selbst auswählt, galt natürlich immer noch. Ganz offensichtlich wollte er mich in der Rolle haben, denn danach kam die Zusage, obwohl ja bekannt war, dass ich kein Schauspieler bin. Erst während meiner Proben für „We Will Rock You“ wurde ich von einem externen Schauspiellehrer gecoacht. 2007 stand ich dann zum ersten Mal auf einer Musicalbühne, als Galileo in Köln und parallel auch in Zürich.
Du hattest die Rolle – aber Dein Traum war trotzdem nicht erfüllt.
Das Happy End kam später. Die Züricher Produktion zog im Januar 2008 nach Wien. Zur Premiere am 16. Januar wurde ich eingeladen. Ich musste nicht spielen, sondern durfte einfach zur Show kommen. Da war ich natürlich gerne dabei. Vor Ort traf ich dann das Team. Alex Jost, der Technische Leiter für Promo-Veranstaltungen bei „We Will Rock You“, wollte mir schon mal meine Umkleide zeigen. Klar, dachte ich, die kann ich mir gleich ansehen, wenn ich schon mal da bin. Wir gehen also den Gang entlang, ich biege um eine Ecke – und stehe direkt vor Brian May. Er kam auf mich zu und begrüßte mich mit Namen: „Hi Sascha, nice to meet you finally“. Das war mein Moment. Es war großartig. Das Team kannte meine Story und hat das für mich eingefädelt. Es war fantastisch, Brian tatsächlich zu treffen. Ich werde das niemals vergessen. Und wenn ich nur dafür bei „We Will Rock You“ war – es hat sich gelohnt. Doppelt und dreifach.
Dann bist Du aber richtig auf den Geschmack gekommen, was die Musik von Queen angeht, oder?
Ja, klar. Als Hauptdarsteller des Musicals wurde ich gerne immer wieder für Gala-Events gebucht. Nachdem mein Vertrag bei „We Will Rock You“ dann auslief, habe ich mit ein paar Musikern der original Musical-Band eine Queen-Tribute-Show gegründet. Wir hatten vielleicht sechs oder sieben Auftritte im Jahr. Das war nicht wirklich viel. Aber als ich dann eins Abends mit meinem guten Freund und Kollegen Axel Herrig (Anmerkung der Redaktion: Axel Herrig spielt Falco in „Falco meets Amadeus“) in der Hotelbar saß, hatten wir die Idee für eine Cross-Over-Show. Und siehe da: Schon gingen wir damit zwei Mal auf Tour, 2015 und 2016, mit um die 60 Terminen. Parallel habe ich natürlich auch immer meine eigenen Songs geschrieben…
„Ein neues Blau“ - neue CD von Sascha Lien
… die seit Herbst 2017 auf Deinem neuen Album „Ein neues Blau“ zu hören sind. Zum ersten Mal sind alle Texte in deutscher Sprache. Warum?
Vor ein paar Jahren musste ich durch eine ziemlich schlimme Phase. Jemand hat damals ein böses Spiel mit mir gespielt und mir ging es nicht so gut. Ich habe echt gelitten. Und eines Nachts einen Song geschrieben. In drei Stunden waren Text und Musik komplett fertig. „Liebe die zerbricht“ habe ich mir regelrecht von der Seele geschrieben. Plötzlich wusste ich, dass man genau damit die Leute erreicht. Als Künstler möchte man, dass die Leute mitfühlen. Für mich war klar, dass ich deutsche Texte schreiben muss, damit jeder wirklich alles versteht, was ich da singe und damit klar wird, dass es nicht um Belanglosigkeiten geht, sondern um echte Gefühle.
Fällt es Dir leichter, deutsche Texte zu schreiben?
Nein, im Gegenteil. Die englische Sprache ist einfacher, sie klingt schneller. Um deutsche Texte zum Klingen zu bringen, muss man wesentlich mehr mit der Sprache arbeiten, nach Worten suchen und immer wieder ändern. Aber ich bin jetzt nicht für alle Zeiten auf deutsche Texte festgelegt, genauso wenig wie auf die eher poppige Stilrichtung. Ich mag jede Art von Musik. „Ein neues Blau“ habe ich aufgenommen, weil ich mal in Richtung Schlager/Pop schreiben wollte. Ich habe mit „Ein neues Blau“ ein Konzert im Wintergarten in Berlin gegeben und hatte auch einen Auftritt im ZDF-Fernsehgarten. Aber das reicht heutzutage nicht mehr. Vielleicht hätte ich auch noch bei der Konkurrenz in „Immer wieder sonntags“ und am besten noch in „Verstehen Sie Spaß“ auftreten müssen. Der Markt ist so übersättigt, dass man nur mit geballter Präsenz überhaupt noch wahrgenommen wird. Inzwischen bin ich von dem Gedanken wieder abgekommen, unbedingt ins Radio oder ins Fernsehen zu müssen. Es gibt viele tolle Künstler, die man gar nicht so kennt, aber die trotzdem ihr Publikum erreichen, ihre Platten verkaufen und gut davon leben können. Wenn man das schafft, ist es nicht das Schlechteste. Mir ist wichtig, meine künstlerische Freiheit zu behalten, mich nicht festlegen zu müssen, sondern die Musik zu machen, die sich in dem Moment für mich richtig anfühlt. Aktuell bin ich eher wieder auf dem Rocktrip, was natürlich auch „Rock Of Ages“ geschuldet ist. Es liegen viele alte Ideen in der Schublade, die zu Songs ausgearbeitet werden möchten.
Die eingangs erwähnten Schnipsel kommen also zum Einsatz?
Genau (lacht). Die Schnipsel, die bei „Ein neues Blau“ nicht gepasst haben, die sind jetzt dran. „Rock Of Ages“ war für mich sehr inspirierend. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, sowohl die Leute, die mit mir auf der Bühne stehen, als auch Kollegen, die hinter der Bühne dabei sind. Es sind Erfahrungen, die ich nicht missen möchte und die bestimmt in die nächsten Songs einfließen.
Wie sehen Deine musikalischen Zukunftspläne aus?
Auf jeden Fall werde ich jetzt erst einmal ein paar neue Songs schreiben, dieses Mal wieder mit englischen Texten. Ein Videodreh ist auch angedacht, das dauert vielleicht noch ein halbes Jahr.
Siehst Du Dich auch wieder in einem Musical? „Bat Out Of Hell“, das ja im November in Oberhausen Deutschlandpremiere feiert, könnte doch passen, oder?
Das hört sich zwar spannend an, aber ich habe die Show bisher noch nicht einmal gesehen. Falls es sich vielleicht ergibt, möchte ich es nicht ausschließen, aber um ehrlich zu sein: Ich hasse Auditions. Bei „Rock Of Ages“ hatte ich Glück und wurde direkt vom Produzenten Walter Feucht engagiert, weil er mir die Rolle wohl zugetraut hat. Quasi „auf Verdacht“ engagiert zu werden, ist absolut selten in der Branche, aber ich denke, er lag mit seiner Ahnung nicht ganz verkehrt (grinst). Ich bin jedenfalls mega dankbar und weiß es jeden Abend zuschätzen, Drew Boley zum Besten geben zu dürfen. Und meistens laufen die Dinge sowieso parallel. Manchmal habe ich mehr Zeit für meine eigene Musik, manchmal eben weniger. Wenn eine Anfrage wie für „Rock Of Ages“ kommt, kann man natürlich nicht nein sagen. Schon „We Will Rock You“ war für mich der Oberknaller, damals, als ich noch gar nichts mit der Musicalszene am Hut hatte. Hier in Ulm kannte man mich schon. Die wussten, der Lien kann dies und jenes und genau dafür möchten wir den haben. Das war wie gesagt ein echter Glücksfall.
Ich erinnere mich, dass es zu meiner Zeit als Galileo noch hieß, „Rock Of Ages“ sei so ein amerikanisches Thema, das würde in Deutschland gar nicht funktionieren. Wir zeigen gerade, wie’s geht. Jetzt ist das Interesse groß, auch seitens der Branchengrößen, die viel Geld in ihre Produktionen stecken und sehen wollen, wieso das hier so gut funktioniert. Ich finde, dass die Musik neben all den Bühneneffekten bei Großproduktionen oft zu kurz kommt. Es heißt Music-al, die Musik sollte wichtig sein. Wenn kein Lied hängenbleibt, dann stimmt für mich einfach etwas ganz Wesentliches nicht. Natürlich sind die meisten Songs aus „Rock Of Ages“ bekannte Hits aus den 80ern. Aber auch die Songs, die man nicht sofort erkennt, sind so gut, dass sie gleich ins Ohr gehen.
Was auf Deine Songs auch zutrifft…
Oh, danke. Das freut mich. Das ist auch mein Anspruch, seit ich mit der Musik anfing. Als wir damals als Support für Uriah Heep engagiert wurden, war das für mich ein Zeichen, dass ich es auch schaffen würde. Irgendwie. Gut, ich bin bis heute kein Rockstar geworden, aber ich verdiene immer noch mein Geld mit der Musik. Mein Zeugnis habe ich noch nie gebraucht. Ich finde sowieso, dass Schulnoten nichts über Intelligenz und persönliche Fähigkeiten aussagen. Man könnte meiner Meinung nach eine viel effektivere Gesellschaft haben, wenn man individuelle Talente mehr fördern würde. Kurvendiskussion und chemische Formeln haben mich echt Nerven gekostet, ich weiß bis heute nicht, warum ich das lernen musste.
Für mich ist die Musik, vor allem meine eigenen Songs, ein sehr großer und wichtiger Bestandteil meines Lebens. Wenn du auf der Bühne dein eigenes Lied singst und die Leute jubeln, das ist unfassbar. Wenn sie dann noch deine Texte mitsingen, da haut’s dir echt den Vogel raus. Es ist wie eine Droge. Da denkst du nicht mehr an Geld oder Ruhm. Da bist du einfach glücklich.
Interview: Sylke Wohlschiess
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Mehr zu Sascha Lien auf MusicalSpot.de:
Rezension „Rock Of Ages“ in Ulm, mit Sascha Lien als Drew Boley, Juli 2018