Interview mit Lucy Scherer:
„Ich" symbolisiert das Unschuldsthema
Dem Stuttgarter Publikum ist Lucy Scherer als Glinda in der deutschen Erstaufführung von "Wicked" bekannt. Anschließend spielte sie im Februar 2010 ebenfalls in Stuttgart die Sarah in "Tanz der Vampire". In diesem Stück stand sie bereits 2006 in Berlin auf der Bühne. Auch als Eponine in "Les Misérables" und in der Titelrolle in "Lulu - Das Musical" war Lucy Scherer zu sehen. Nachdem sie als Jennifer Hartmann in der Telenovela "Hand aufs Herz" auch einem großen Kreis von Fernsehzuschauern ein Begriff wurde, kehrt sie nun in der deutschen Erstaufführung von "Rebecca" auf die Musicalbühne zurück.
Werden Sie den Roman von Dauphne du Maurier zur Vorbereitung nutzen?
Im Buch stecken so unglaublich viele Bilder, eigentlich ist da alles drin. Ich werde ganz stark versuchen, mir das zu erfühlen und so die Rolle zu verstehen. Das Buch wird auf jeden Fall mein ständiger Begleiter sein.
Ist auch Alfred Hitchcocks Verfilmung zur Vorbereitung wichtig oder eher weniger?
Doch, auf jeden Fall. Der Film gab mir sogar den allerersten Eindruck von der ganzen Geschichte und hat mich unheimlich fasziniert. Ich muss zugeben, dass ich zuerst dachte „Oh je, ein Schwarz-Weiß-Film, der ist ja schon so alt, wie das wohl wird". Aber es ist einfach ein grandios spannender Film, den ich jetzt sicher auch noch ein paar Mal anschauen werde.
Welche Bedeutung hat es Ihrer Ansicht nach für die Figur und das Stück, dass „Ich" keinen Namen hat?
„Ich" ist ein absolut unschuldiger Mensch, der sein Gegenüber ganz schlicht und ehrlich reflektiert, was glaube ich bei den anderen Charakteren nicht der Fall ist. „Ich" symbolisiert in diesem Stück das Unschuldsthema. Diese Reinheit und Ehrlichkeit behält sie auch im zweiten Akt, obwohl sie so unglaublich viel aushalten muss. Sie hätte sich ja auch zu einem Biest entwicklen können, sie hätte an der Situation zerbrechen oder sagen können, dass sie es nicht mehr aushält und gehen muss. Aber sie hat wirklich versucht, alles zu verstehen und aufzulösen. Anfangs – das finde ich sehr spannend – ist sie ein sehr ängstliches Mädchen, das ohne Eltern bei einer wilden, amerikanischen reichen Diva arbeitet und eigentlich nichts vom Leben erwartet - und plötzlich erwarten alle alles von ihr. Ihre Stärke wird im Verlauf des Stückes immer deutlicher.
Wie fühlt es sich an, so einen namenlosen Charakter zu spielen? Geht man anders an die Rolle heran, fühlt es sich anders an?
Anfangs war ich schon irritiert. Aber es gibt mir auch in gewisser Weise eine besondere Freiheit. Die Proben haben noch nicht begonnen, insofern kann ich noch nicht soviel dazu sagen. Es spielt auf jeden Fall eine Rolle, dass die Figur keinen Namen hat. Der Roman ist ja auch in der Ich-Perspektive erzählt, und deshalb finde ich, dass es durchaus Sinn macht, auch der Erzählerin im Stück keinen Namen zu geben. Vielleicht fällt es dem Zuschauer so auch leichter, sich damit zu identifizieren.
Wenn Sie Ihrer „Ich" einen Namen geben könnten...?
Das ist jetzt aber schwer... echt schwer. Darf ich Ihnen die Antwort beim nächsten Interview geben?
Sehr gerne. Viel Erfolg und viel Spaß bei den Proben.
Interview: Sylke Wohlschiess