Interview mit Reinhard Brussmann:
Eigentlich war es ja Zufall…
Wenn man Reinhard Brussmanns wunderschönen Bariton hört, kann man kaum glauben, dass ein Bühnenberuf eigentlich gar kein Thema für ihn war. Warum er schließlich doch den Weg auf die Bühne nahm, wie er vom lyrischen Operntenor zum „weisen Alten“ des Musicals wurde und was ihn an seiner Rolle als Ibn Sina in „Der Medicus“ so fasziniert, hat er uns bei einem Gespräch im Schlossgarten in Fulda erzählt.
Bei der Erstaufführung im Jahr 2004 und erneut 2010 spielten Sie die Titelrolle in „Bonifatius“. Wie kam es nach einer Pause von sechs Jahren nun zur erneuten Zusammenarbeit mit Spotlight-Musicals?
Eigentlich durch Zufall. Ich war gerade in Spanien im Urlaub, als mitten in der Pampa eine SMS von Peter Scholz (Anm. der Redaktion: Peter Scholz ist einer der beiden Geschäftsführer von Spotlight-Musicals und Produktionsleiter von „Der Medicus“) ankam, mit der Frage, ob ich Ibn Sina in seinem neuen Musical „Der Medicus“ spielen möchte. Ich stand im Wort in Tecklenburg; dort habe ich die letzten fünf Jahre meistens gespielt, der Vertrag war schon fast perfekt. Allerdings gab es Überschneidungen mit dem Theater in St. Gallen, wo ich für „Don Camillo & Peppone“ verpflichtet war. Dort kamen unangekündigte Termine dazu und Sperrtage wurden nicht genehmigt. St. Gallen war ein Kombivertrag mit Wien, also konnte ich Tecklenburg schweren Herzens nur absagen. Durch diese Entscheidung war ich zeitlich flexibler und so wurde „Der Medicus“ für mich möglich. Es war relativ stressig, weil ich gerade in der Endphase der Proben sehr viele Vorstellungen in St. Gallen hatte, also ständig hin- und herfahren musste. Aber es hat geklappt und ich bin sehr froh darüber.
Ibn Sina ist die einzige reale Person in Noah Gordons Roman „Der Medicus“. Hat das Einfluss auf Ihre Arbeit an der Rolle?
Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich erst im Laufe der Probenzeit erfahren habe, dass dieser Mensch wirklich gelebt hat. Wenn man das Buch und den Film kennt, geht man davon nicht unbedingt aus. Dann habe ich natürlich recherchiert und war unheimlich verblüfft, was Ibn Sina in seinem Leben alles geleistet hat. Er hat sich nicht nur mit Medizin beschäftigt, auch wenn das sein Hauptaugenmerk war, sondern ebenso mit Philosophie, Psychologie, Sternenkunde, Mathematik und den alten griechischen Schriftstellern. Den „Kanon der Medizin“ hat er tatsächlich geschrieben. Das Werk wurde noch bis ins 17. Jahrhundert unter anderem in Frankreich als Lehrbuch für das Medizinstudium verwendet. Das kann man sich doch kaum vorstellen, oder? Dieser Mann war eine unglaublich interessante Persönlichkeit, vor allem, wenn man auch seinen familiären Hintergrund betrachtet. Sein Vater war ein Steuereintreiber, der so klug war, seinen Sohn zu einem Kaufmann in die Lehre zu geben. Dort hat er Sprachen gelernt und sein generelles Interesse am Lernen entwickelt. Das hat er sich bis zuletzt bewahrt. Die kleine Anekdote nebenbei: In einer Biographie ist zu lesen, dass Ibn Sina eigentlich Alkoholiker war. Schon als junger Mann war er als Arzt sehr angesehen und wurde von Regenten bei medizinischen Fragen zu Rate gezogen. Diese Herrscher besaßen große Bibliotheken, zu denen Ibn Sina Zutritt gewährt wurde. Dadurch hat er sich immenses Wissen angeeignet. Immer wenn er müde wurde, hat er sich Wein bringen lassen und so lange getrunken, bis er wieder munter war. Dann hat er weitergearbeitet. Wir haben überlegt, ob wir das noch einbauen sollen. Aber da die Figur im Buch ganz anders gezeichnet ist, sind wir von der Idee wieder abgekommen.
Ibn Sinas Tod wird in Buch und Musical unterschiedlich dargestellt.
Ja, das ist richtig. Es war die Tragik seines Lebens, dass er, der seinen Schülern so viel Wissen vermittelt hat, von einem unfähigen Studenten falsch behandelt und so versehentlich vergiftet wurde. So ist er gestorben. Das Musical lehnt sich mehr an den Film an. Es ist zwar nicht ganz eindeutig, aber als Ibn Sina-Darsteller Ben Kingsley in diesem brennenden Raum sitzt, dachte ich sofort, dass er jetzt wohl kaum wartet, bis er von den Seldschuken geköpft wird, sondern Gift genommen hat. Man muss immer daran denken, dass Filme und Musicals gemacht werden, um ein Publikum anzuziehen. Wenn man jetzt sagt, der war Alkoholiker, bekam Leberzirrhose und hat keinen anderen Ausweg gesehen, als sich zu vergiften – ich glaube, das würde nicht so gut beim Publikum ankommen. Ich finde, die Autoren des Musicals haben die Geschichte sehr gelungen und sehr wirksam umgesetzt. Ein brillantes Stück mit schöner Musik.
Was treibt Ibn Sina an?
Ich glaube, ihn treibt die Wissbegier dieses jungen Rob Cole an. Ibn Sina hatte viele Studenten, aber dass Rob ein Ausnahmemensch war, hat er instinktiv begriffen. Rob hat ihm dann ja auch anvertraut, dass er die Gabe hat, mit den Händen zu fühlen, ob ein Mensch sterben wird oder nicht. Das hat Ibn Sina komplett überrascht, er hat davon gehört, aber nie so recht daran geglaubt. Dass ihm schon anfangs klar war, dass Rob derjenige sein wird, der sein Werk weiterträgt, glaube ich zwar nicht, aber Ibn Sina hat seine Wissbegier gesehen und ihn aufgenommen. Im Lauf der Jahre hat er eine sehr persönliche Zuneigung zu ihm entwickelt und ihn fast als eine Art Ersatzsohn betrachtet. Das hat ihn natürlich noch mehr dazu getrieben, Rob sein ganzes Wissen preiszugeben. Die Diskrepanz, die es sowohl im Buch, als auch im Film und bei uns gibt, ist, dass Rob weiter gehen will, als Ibn Sina, auch auf die Gefahr hin, dass es ihn umbringt. Ich finde ja, dass meine letzte Szene unheimlich schön ist. Als Ibn Sina weiß ich, dass ich krank bin und sowieso sterben werde. Die Stadt wird in Trümmer fallen, weil die Seldschuken vor der Tür stehen. Jetzt ist das Wichtigste, dass einer das, was ich ihm beigebracht habe, mitnimmt und weiterführt. Nimm‘ alles Wissen mit und trage es in die Welt hinaus – weil es richtig ist.
Ist Ibn Sina eine für Sie typische Rolle?
Ich habe eigentlich durchweg solche Rollen gespielt. Für den weisen Alten scheine ich irgendwie prädestiniert zu sein. Ob Jean Valjean oder Cyrano, es sind immer Charaktere, die eine gewisse innere Ruhe, Wissen und Menschlichkeit haben. Die in ihrem Leben viel erreicht und gelernt haben, die aber auch aufstehen und sich durchsetzen, wenn es nötig ist. Ibn Sina ist wieder eine dieser Figuren. Ich fühle mich in der Rolle sehr wohl und versuche jeden Tag, das Publikum so mitzureißen, dass es in die Handlung eintauchen kann. Das ist für mich ganz wichtig, dafür habe ich diesen Beruf ergriffen. Ich möchte Geschichten erzählen und Menschen so berühren, dass sie lachen, dass sie weinen oder hassen können.
Das klingt, als wäre Ihr Beruf – ähnlich wie bei Ibn Sina – auch Ihre Berufung.
Mein Beruf ist zu meiner Berufung geworden. Wie so vieles andere in meinem Leben war es die Berufswahl zunächst Zufall. Ich bin zwar durch meine Eltern sehr früh an Musik und Kultur herangeführt worden, aber für mich war es einfach toll, da zu sitzen und zuzuschauen. Klar, ich habe schon mal die Gitarre in die Hand genommen und am Lagerfeuer gesungen. Aber es war für mich überhaupt kein Thema, selbst auf der Bühne zu stehen. Das war gar nicht mein Ding. Mein anfängliches Berufsleben war ein Tohuwabohu. Ich war vom Hilfsarbeiter über Buchhalter bis zum Reitlehrer alles. Was ich wirklich wollte, war nie ganz klar. Damals fand eine Bekannte meine Stimme schön und meinte, ich sollte das Singen zum Beruf machen. „Vergiss es“ war meine Antwort. Aber dann hat sie mir Gesangsstunden zu Weihnachten geschenkt. Geschenke kann man schlecht zurückgeben, also dachte ich, ok, geh‘ ich halt hin und probiere das mal aus. Die Gesangslehrerin war auch der Meinung, ich müsse weitermachen. „Du wirst Wagner singen“ sagte sie. Ich habe damals als Buchhalter in der Verwaltung des Österreichischen Bundestheaterverbandes die Solistenverträge bearbeitet. Dadurch war ich mit der Klassik schon in Berührung und habe einfach mal geschaut, wer von den großen Sängern in Wien Unterricht gibt. Dabei bin ich auf den Kammersänger Waldemar Kmentt gestoßen, der die Opernklasse am Konservatorium Wien geleitet hat. Damals gab es noch keinen Musicalunterricht, sondern eine Opern- und eine Operettenklasse. Ich habe ihn angeschrieben, weil ich wissen wollte, ob meine Stimme für eine Laufbahn als Sänger gut genug ist. Ich stand schon bei Konzerten mit meiner Gesangslehrerin auf der Bühne und es hat mir Spaß gemacht, aber ich konnte nicht beurteilen, ob es reicht. Er hat mich eingeladen und ich habe vorgesungen. Er sagte, ich hätte eine sehr kleine Stimme, aber eine sehr schöne Stimme. Und wenn ich ihn jetzt fragen würde, ob ich weitermachen solle, dann wäre die Antwort ein Ja. Es war damals Mai. Ich sollte im September zur Aufnahmeprüfung wiederkommen. Das habe ich getan. Ich habe mich vorbereitet und wurde einstimmig angenommen.
Sie hatten gefunden, was Sie wirklich machen wollten?
Ja. Da ging die Reise los. Ich hatte das Glück, dass meine Vorgesetzten im Bundestheaterverband sehr hinter mir standen und wirklich alles genehmigten, um mir das Studium zu ermöglichen. Ich durfte im Sommer vier Monate bei voller Bezahlung nach Bayreuth fahren, um dort im Chor zu singen, anschließend hat man mir ein Jahr Karenzurlaub gewährt. Es hieß, wenn ich in dieser Zeit ein Engagement bekomme, ist es gut. Ansonsten hätte ich einfach zurückkommen können, mein Arbeitsplatz wurde mir offen gehalten. So etwas würde heute gar nicht mehr funktionieren. Ich hatte schon im zweiten Studienjahr einen festen Job an der Wiener Kammeroper. Mein Studium habe ich parallel beendet und dann sieben Jahre dort vorwiegend Oper und Operette gesungen.
Wie sind Sie von der Wiener Kammeroper zum Musical gekommen?
Es war Zeit für einen Wechsel. Ich wollte ein anderes Theater kennenlernen und habe viele Reisen von einem Haus zum anderen gemacht, um vorzusingen. Dann hörte ich von einer Korrepetitorin, dass sie im Theater an der Wien klassisch ausgebildete Stimmen für „Les Misérables“ suchen, im Stück gäbe es viele Studenten und so. Geh‘ doch mal hin. Ich ging also hin. Und was kam raus? Die Hauptrolle kam raus: Jean Valjean in „Les Misérables“. Mein erstes Musical. Was das persönliche Interesse des Publikums an mir angeht, war das mein Durchbruch. Das Musicalgenre hat mich dann nicht mehr losgelassen. Nach eineinhalb Jahren „Les Misérables“ bin ich aber zurück zur Klassik gegangen und hatte dort auch meinen Stimmfachwechsel.
Wie kam es dazu?
Während der Zeit bei „Les Misérables“ hat sich meine Stimme komplett verändert. Ich bin als ganz hoher lyrischer Tenor hingekommen. Wenn man meine Stimme heute hört, kann man sich das überhaupt nicht vorstellen, aber ich habe Mozart und Rossini in den höchsten Höhen geträllert. Durch diese Beanspruchung hat meine Stimme sich verändert. Die Agenten sagten schon immer, dass meine Stimme eigentlich für Mozart und Rossini zu groß sei. Das hat sich dann bewahrheitet. Heute bin ich ja davon überzeugt, dass ich schon immer ein Bariton war. Nur, damals herrschte Tenormangel. Und da ich relativ hoch hinaufgekommen bin, hieß es einfach, ich sei ein Tenor; man hat mich dahin trainiert. Die Höhe ist immer noch da, aber meine Stärke liegt im Bariton. Mein Lehrer hatte mir damals geraten, Operette zu machen, bevor ich ins schwere Fach gehe, weil dies dafür das beste Training sei. Ich habe also Operette rauf- und runter gesungen, die großen Sachen wie „Land des Lächelns“ oder „Zigeunerbaron“. Danach bin ich ins Heldenfach eingestiegen und bis 1995 in der Oper geblieben. Parallel war ich aber auch immer wieder bei Musicals dabei. Es war für mich eine besondere Herausforderung, weil damals das Schubladendenken noch sehr ausgeprägt war. Wir sind ja noch so erzogen worden, dass Musical minderwertig und unnötig sei. Sieh zu, dass du als klassischer Sänger Wagnerrollen kriegst und in der Klassik weiterkommst – das war der allgemeine Tenor. Ich wollte mich aber gar nicht so festlegen. Der Effekt war, dass die Opernleitung fragte, wieso ich als Musicaldarsteller in der Oper singen will. Und die Musicalleute meinten, was ich als Opernsänger denn nur beim Musical will. Ich bin aber immer gerne an meine Grenzen gegangen und wollte diesen Spagat unbedingt meistern. 1995 ging es dann in der Klassik einfach nicht mehr weiter. Der Eiserne Vorhang hatte sich geöffnet und es kamen hervorragende Stimmen aus dem Osten. Diese Künstler haben damals für sehr, sehr wenig Geld gesungen. Für mich hatte sich mit dem Musical eine neue Tür geöffnet und ich habe mich entschlossen, dabei zu bleiben. Seither mache ich „nur noch“ Musicals.
Gab es in Ihrer bisherigen Karriere einen Moment, den sie besonders mit Berufung verbinden?
Ja. Ich muss ehrlich sagen, das fand schon mit dem ersten Musical statt. Gale Edwards, unsere damalige Regisseurin bei „Les Misérables“, hat es mir leicht gemacht und wirklich alles aus mir herausgeholt, was zuerst noch versteckt war. Gerade am klassischen Theater war ja Schauspiel und Aktion eigentlich nicht gefragt. Stell‘ Dich in eine Ecke, sing schön oder auch nicht schön (lacht). Mein Vorteil war, dass ich auch im klassischen Fach schon mit hervorragenden Regisseuren gearbeitet habe, die sich sogar Zeit genommen haben, privat weiter mit mir an der Rolleninterpretation zu feilen. George Tabori, einer der größten Theatermacher der Welt, schlug mir damals vor, einfach am Nachmittag bei ihm vorbeizukommen, wenn ich nichts vorhätte, damit wir zusammen arbeiten können. Auch Bernd Palmer oder Fritz Muliar waren Förderer junger Leute, aus deren Talent sie mehr machen wollten. Der Anreiz war für mich also bereits da. Und bei „Les Misérables“ hat es sich dann verwirklicht. Mit knapp 30 Jahren musste ich einen Menschen spielen, der etwa in diesem Alter aus dem Gefängnis kommt und mit 90 Jahren stirbt. Diese Spanne galt es, in drei Stunden darzustellen.
Kann das in so jungen Jahren überhaupt schon gelingen?
Ich hätte es auch nicht gedacht, aber es funktioniert wirklich. Auch ohne von method acting zu wissen (lacht), war mir ganz klar, dass ich lernen muss, wie sich ältere Menschen bewegen und verhalten. Während der dreimonatigen Probenzeit habe ich mich in Kaffeehäuser gesetzt und Leute beobachtet. Wie steht jemand auf, der sich kaum mehr bewegen kann? Wie verhält er sich? Bis zur Premiere habe ich das durchgezogen und dabei viel gelernt. Ich beobachte heute noch gerne Menschen. Bei jeder Rolle die ich spiele, ist aber mein wichtigstes Bestreben, niemals zu imitieren, sondern immer meine eigene Persönlichkeit mit der Figur zu verbinden. In jeder Figur, die ich spiele, muss etwas von meiner eigenen Person stecken, erst dann wird es wahrhaftig. Ich muss gar nicht die größten Rollen spielen. Das ist mir vollkommen egal. Mir geht es darum, eine Figur zu finden, die zu mir passt und aus der ich etwas machen kann. Es gibt natürlich auch Charaktere, bei denen man im Voraus nicht sicher sein kann, so dass man es ausprobieren muss. Die Rolle des Cyrano war für mich so ein Grenzbereich. Es galt, den Zwiespalt herauszuarbeiten zwischen dem Haudegen, der skrupellos Leute umbringt und der poetischen Seite seiner Persönlichkeit. Er war ja ein sehr belesener, intellektueller und auch romantischer Mensch. Ich war dann schon relativ stolz, dass mir das gelungen ist. Heute bin ich in einem Alter, in dem ich nicht jedes Angebot annehmen muss, auch, wenn ich mal kein Engagement haben sollte. Ich möchte Rollen spielen, die mir am Herzen liegen. Dann bin ich sicher, dass ich alles geben kann, was ich habe, auch wenn es noch so anstrengend ist.
Ibn Sina in „Der Medicus“ ist so eine Rolle?
Absolut. Durch die Terminüberschneidungen konnte ich nur wenig proben, aber es hat mich gereizt. Es musste sein. Ich bin dankbar und stolz, bei „Der Medicus“ dabei zu sein. Für mich ist das auch deshalb etwas Besonderes, weil ich die Idee, die vor zwölf Jahren geboren wurde, von Anfang an miterlebt habe. Ich erinnere mich an das auch wieder ganz zufällige erste Treffen mit Peter Scholz, Dennis Martin und damals noch Michael Weiß und Zeno Diegelmann. Das waren vier Jungs, die unbedingt Musical machen wollten und den Bad Hersfelder Intendanten Peter Lotschak angesprochen hatten, ob er sich mal ihr neues Stück anhören würde. Ich spielte zu dieser Zeit in Bad Hersfeld den Herodes in „Jesus Christ Superstar“ – so kam der Kontakt zustande. Als die vier mir dann „Bonifatius“ vorspielten, hat mich das sofort unheimlich angerührt. Vielleicht war es Instinkt, ich weiß es nicht, aber mir hat es wirklich imponiert. Wir wurden uns einig, ich habe die Rolle gespielt und es wurde ein Riesenerfolg. Vor der Entwicklung, die Spotlight-Musicals genommen hat, habe ich großen Respekt, dazu gehört damals wie heute ein eiserner Wille. Ein bisschen erinnert mich das auch mich selbst.
Inwiefern?
Es geht um die Einstellung. Wenn man etwas wirklich will, dann beißt man sich durch alle Höhen und Tiefen. Meine Karriere war ja nicht immer nur ein einziges Honigschlecken. Es gab auch Widrigkeiten und Niederlagen, über die ich selbst enttäuscht war. Man darf nicht rückblickend alles nur noch rosig sehen. Wenn ich nur überlege, wie viel ich in der Weltgeschichte herumgefahren bin. Das Publikum sieht uns abends auf der Bühne und es kommt immer wieder die Frage, was wir eigentlich tagsüber machen. Die wenigsten können sich vorstellen, wie viel wir organisieren müssen, wie viel Zeit für die ganze Fahrerei draufgeht und dass man wirklich bis zu zwölf Stunden täglich proben muss. Für uns Künstler ist der 24. Dezember der einzige gesetzliche Feiertag, an dem auch wir frei haben. Natürlich haben wir auch Urlaub, aber den verwenden wir oft für Konzerte oder zusätzliche Engagements. Aber trotz allem bin ich immer meinen Weg gegangen und das werde ich auch weiterhin tun. Ich bin jetzt in meinem 37. Bühnenjahr. Wenn ich alles planmäßig durchziehe, werde ich 40 Jahre auf der Bühne stehen. Wenn ich dann noch Engagements annehme, muss es wirklich hundertprozentig passen. Ich kann auf eine schöne Zeit zurückschauen – das klingt jetzt so pathetisch - und habe für mich alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte, auch Dinge, die ich damals noch gar nicht wissen konnte. Es waren wunderbare Jahre, ich habe viel gelernt, viele interessante Menschen kennengelernt. Und es ist für mich besonders schön, jetzt in Fulda als Ibn Sina in „Der Medicus“ eine weitere bereichernde Erfahrung machen zu dürfen.
Interview: Sylke Wohlschiess
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