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Interview mit Christian Alexander Müller:
Als Künstler erlebt man so einiges

Christian Alexander Müller ist Musicaldarsteller und spielte in Musicals wie "Aida", "Chess", "Elisabeth" oder "Der Graf von Monte Christo". In Andrew Lloyd Webbers "Phantom der Oper" übernahm er die Titelrolle und ging als jüngstes Phantom aller Zeiten in die Musicalgeschichte ein. Mit "Tell me on a Sunday" gab er sein Debüt als Regisseur - und kürzlich gründete er mit seiner Geschäftspartnerin Nadine Wagner eine eigene Konzertfirma. Im Interview spricht Müller über den Anlass der Firmengründung, seine Tätigkeit als Regisseur, Darsteller und Dozent.

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Am 14. Februar 2013 fand in der Markuskirche Chemnitz mit „Heroes" die erste Veranstaltung Ihrer neu gegründeten Firma Heartmade Productions statt. Dass ein Musicalsänger nicht nur Solokonzerte in Eigenregie veranstaltet, sondern gleich eine Firma gründet, ist ungewöhlich. Wie kam es dazu?

Den Wunsch, selbst als Veranstalter in Erscheinung zu treten, gab es schon eine ganze Weile. Als Künstler erlebt man ja so einiges, und oft dachte ich, dass man gewisse Dinge auch ganz anders angehen könnte. Dazu kam, dass meine erste Regiearbeit in Coburg gewissermaßen ein Testlauf war. „Ich will das wissen", dachte ich damals. Ich hatte Blut geleckt. Ich wollte das machen. So haben wir, Nadine Wagner und ich, diese Produktionsfirma gegründet. Wir arbeiten viel miteinander und wir arbeiten sehr gerne miteinander, deshalb konnte nichts logischer sein, als dieses Projekt gemeinsam ins Leben zu rufen.

Was wird Ihre Konzerte von denen anderer Veranstalter unterscheiden?
Das ist eine sehr berechtigte Frage, denn es gibt ja wirklich viele Konzerte, einige Konzertveranstalter und viele Musical-Konzerttourneen, nicht nur die große „Best of Musical"-Tour der Stage Entertainment, sondern Zigtausende unterschiedlichster Produktionen. Und ich finde, da ist leider auch viel Halsabschneiderei dabei. Da wird groß geworben mit den „Original-Stars aus den Shows" und dann kennt kein Mensch die Leute, die da singen. Oft fehlt mir auch das Handgemachte und vor allem die Liebe dabei, die Liebe zum Detail und das Wissen um die Dinge. Genau das ist es aber, was mich persönlich antreibt - Musik und Theater zu machen, um die Menschen zu berühren. Warum gehen Leute denn in eine Aufführung oder in ein Konzert? Sie wollen berührt werden. Unser Ziel als Veranstalter ist, diese Punkte ganz konsequent umzusetzen. Natürlich möchten wir auch den Künstlern die Arbeit so angenehm wie möglich machen. Ich spreche aus Erfahrung: Wenn man von anderen Veranstaltern gebucht wird, ist es doch auch so, dass wenig oder nichts organisiert ist und man sich neben seiner eigentlichen Arbeit als Sänger noch um eine Menge Kleinkram kümmern muss. Natürlich gibt es auch Veranstalter, bei denen alles funktioniert, ohne Frage. Aber es gibt auch oft den Fall, dass man denkt, hier hätte einiges anders laufen müssen. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, unseren Künstlern das bestmögliche Arbeitsumfeld und dem Publikum die höchstmögliche Qualität zu bieten.

Im März startet die Konzertreihe „Simply". Welches Konzept steckt dahinter?
„Simply" ist so, wie der Name sagt: Einfach. Zuerst stellte sich die Frage, wo die ersten Konzerte stattfinden sollten. Schnell war klar, dass wir in unserer Heimatstadt Chemnitz beginnen. Wir wollen bekannte Musicalkünstler hierher bringen. Egal wo ich spiele, ob im Ruhrgebiet, in Wien oder sonstwo, die Leute fragen, wo ich noch zu sehen bin. Natürlich fällt dann auch immer der Name Chemnitz, denn ich bin hier als ständiger Gast für die Musicalproduktionen an der hiesigen Oper engagiert. Und dann kommen immer die erstaunten Fragen: „Chemnitz? Wo ist das denn? Und da läuft Musical?" Ja, hier an der Oper läuft Musical, und das sogar auf sehr hohem Niveau. Das Publikum ist hier sehr musicalbegeistert, überhaupt musikbegeistert, was für eine Industriestadt wie Chemnitz ja eher ungewöhnlich ist. Deshalb wollen wir Künstler für Auftritte in unsere Stadt bringen, die sonst vielleicht nicht zwingend hierher gekommen wären. Und zwar in dieser bewusst kleinen Form, eben ohne große Bühne, ohne Band, sondern wirklich nur Sänger und Klavier. In dieser kleinsten Form, die auch die schwierigste Form für den Künstler ist. Aber das Publikum liebt es ganz besonders, die Leute so hautnah zu erleben. Wir möchten weg von diesem ganzen Mainstream und dem ganzen Kommerz. In Deutschland wird Musical fast immer mit Kommerz gleichgesetzt. Und das, finde ich, muss nicht sein. Was Musical doch eigentlich sein sollte, ist Handwerk, Kunst-Handwerk. Deswegen haben wir diese Konzertreihe erdacht. Stattfinden werden die „Simply"-Konzerte im Chemnitzer Kabarettkeller, einer ganz kleinen Location, in der wir vor zwei Jahren auch „Die letzten fünf Jahre" gespielt haben. Dieser Rahmen ist dafür wunderbar geeignet.

Steht schon fest, wer alles in der „Simply"-Reihe auftreten wird?
Für 2013 sind die Künstler schon fix, ja. Das sind zum Großteil die Gäste, die bei der „Heroes"-Premiere auch dabei waren. Wir wollten sie dem Chemnitzer Publikum auf diese Weise vorstellen. Judith Lefeber kennen die hiesigen Musicalgänger natürlich schon aus „Aida" - sie beginnt im März. Dieses Konzert wird ihr erster Soloabend überhaupt sein. Angelina Biermann ist eine Studentin von mir. Simon Rottluff, der Junge, der bei meinem Konzert am 14. Februar 2013 auch dabei war, ist noch Schüler und macht nebenbei schon eine Gesangsaubildung im Studio W.M.-Werkstatt für Musik und Theater, der privaten Gesangsschule, in der auch ich angefangen habe. Die haben übrigens Mitte Januar den „Meilenstein" erhalten, eine Auszeichnung für herausragende unternehmerische Leistungen, was mich echt gefreut hat. Heiko Lippmann, unseren Musikalischen Leiter, kenne ich auch von „Aida", mit der Cellistin habe ich studiert, und mit Tom Bitterlich schon Soloabende gegeben. Man kennt alle schon irgendwoher, dadurch wird die Stimmung natürlich gleich sehr familiär.

Wird es auch Heartmade-Konzerte geben, bei denen Sie selbst nicht auf der Bühne stehen?
Ja, das wird es geben. Es soll um Gottes Willen nicht so aussehen, als würde der Müller jetzt Konzerte mit anderen Künstlern veranstalten, damit er selber noch mehr auftreten kann. Das ist nämlich genau das, was ich nicht will. Aber es ist natürlich so, dass die ganze Reihe hier erst mal anlaufen muss. Wir holen Künstler hierher, die in der Szene einen wirklich großen Namen haben, wie beispielsweise Patrick Stanke oder Roberta Valentini, die aber – würde ich sagen – für den Chemnitzer Theatergänger vielleicht noch nicht in Erscheinung getreten sind. Insofern ist es, glaube ich, doch ganz gut, wenn ich da anfangs noch mit in Erscheinung trete. Ich werde mich da aber schnell wieder herausziehen. Es ist einfach so, dass Darsteller, die in der Musicalszene sehr berühmt sind, außerhalb kaum jemand kennt. Diese Szene ist in sich sehr geschlossen und eher klein, man trifft immer wieder die gleichen Leute. Zudem herrscht in Deutschland dieses Schubladendenken: Entweder man macht Film oder man macht Oper, entweder man macht Musical oder man ist Schauspieler. Es gibt nichts, was alles zusammenführt. In den USA ist es gang und gäbe, dass ein Musicaldarsteller beispielsweise auch Schauspiel oder Film macht oder umgekehrt – hier nicht. Aber dadurch ist die Musicalsparte nach wie vor eine Nische; natürlich eine, die von den Genrefans geliebt wird, aber es ist eben eine Nische.

War „Heroes" eine einmalige Sache oder wird daraus auch eine Reihe?
Nein, eine einmalige Sache bleibt es nicht. Das wäre ja auch Quatsch, dafür war der Aufwand viel zu groß. Es ist allerdings so, dass es Zeit braucht, bis so ein Programm wirklich perfekt ist. Ich bin ein Fan davon, mal mit etwas rauszugehen und Erfahrungen zu sammeln, um mich dann nochmal ins Kämmerlein zurückzuziehen und nochmal alles zu überarbeiten, zu überlegen, was man noch besser machen könnte. Und dann erst wieder damit vor Publikum zu treten. Mir war das Risiko viel zu groß, jetzt gleich sieben oder acht Termine anzukündigen, um dann womöglich schon nach dem ersten Konzert festzustellen, dass es noch Dinge gibt, die man hätte ändern sollen. Dann ist es zu spät. Ich mag es, wenn alles stimmig ist. Deshalb möchte ich mir Zeit lassen. Insofern wird es das Programm voraussichtlich erst gegen Jahresende wieder geben. Im Sommer produzieren wir zu „Heroes" eine CD, welche dann meine Debüt-Solo-CD sein wird. Seit Jahren werde ich gefragt, wann ich mal eine Solo-CD aufnehme, bisher hat mir immer die Zeit gefehlt. Bisher kam ich wirklich nie dazu, weil so ein Projekt sehr zeitintensiv ist. Aber jetzt wollen wir das angehen. Natürlich ist auch geplant, mit den Konzerten in andere Städte zu gehen. Beispielsweise der Doppel-Liederabend mit Roberta Valentini und Joana Fee Würz, das ist etwas, was man natürlich öfter machen kann und sollte. Aber ich bin nicht der Typ, der gleich groß auf die Pauke haut. Wir probieren hier in Chemnitz alles aus, sammeln wichtige Erfahrungen. Es gibt so vieles, was beachtet werden muss, sei es im Umgang mit dem Publikum, in der Organisation, beim Vorverkauf. Es ist alles sehr sensibel. Situationen, auf die ich nicht vorbereitet bin, möchte ich so gut es geht vermeiden, denn dann fangen die Dinge an zu laufen, wie sie eigentlich nicht laufen sollen...

Das heißt, Sie möchten als Veranstalter vieles besser machen als andere?
Das Ding ist einfach – man darf das alles nicht mit der Intention machen, viel Geld verdienen zu wollen. Denn das tut man damit einfach nicht. Da sind wir im falschen Genre. Das ist so. Das ist es, was wir schon als Studenten in der Musikhochschule als erstes hörten: Wenn du reich werden willst, such' dir einen anderen Job. Und auch als Produzent ist es ähnlich, dafür ist die Nische viel zu klein. Wir produzieren nicht Helene Fischer, die Riesenhallen füllt. Dieser Veranstalter macht natürlich Geld. Aber im Musicalbereich geht das einfach nicht. Das muss man machen, weil man es gerne macht und weil man die Sache liebt. Ich liebe meinen Beruf und das ganze Theaterding einfach viel zu sehr, um mich von Leuten abhängig machen zu wollen, die das alles vielleicht nicht so sehr lieben. Darauf habe ich einfach keine Lust. Ich will das nicht. Man muss sich selber ja auch schützen. Sonst macht man immer und will eigentlich gar nicht, muss aber. Und gerade in einem künstlerischen Beruf ist das schwierig. Ein guter Veranstalter muss es einfach schaffen, den Stress und die Organisation von den Sängern fern zu halten. Ich weiß, was anstrengend ist, was nervig ist und was man am Tag des Konzertes absolut nicht brauchen kann. Als Produzent ist es unsere Aufgabe, den geladenen Musikern und Sängern die Arbeit so angenehm wie möglich zu machen. Wir wollen den Stress, der natürlich am Tag des Events aufkommt, von den Künstlern fernhalten, denn das ganze Drumherum zu regeln, das ist alleine unsere Aufgabe. Das war natürlich bei der Premiere von „Heroes" etwas ungünstig für mich, da hatte ich ja sozusagen eine Doppelfunktion. Aber es ist dank Nadine alles bestens gelaufen, und bei den kommenden Projekten wird das ja doch ein bisschen anders.

mueller01Glauben Sie, dass andere Veranstalter Sie nun auch als Wettbewerber sehen, nicht mehr nur als Künstler, den buchen kann?
Ja, das mag sein. Ich hoffe aber, dass andere Veranstalter meine Arbeit auf der Bühne von der Arbeit hinter der Bühne genauso unterscheiden, wie ich selbst auch. Aber die Situation ist mir durchaus bewusst.

Neben der Arbeit mit Ihrer neuen Firma sind Sie nach wie vor in vielen verschiedenen Bereichen aktiv, beispielsweise unterrichten Sie an der Musikhochschule Leipzig. Was bedeutet Ihnen diese Tätigkeit?
Oh, das ist für mich eine ganz tolle Aufgabe. Es ist viel Zeitaufwand, zwischen meinen eigenen Engagements immer wieder die fixen Stunden für die Studenten zu geben. Aber es ist eine sehr schöne Aufgabe. Ich habe das alles ja selbst durchlaufen und so hilft es mir jetzt, mich selbst zu reflektieren. Also, ich bin sowieso eher realistisch und nicht so sehr der Mensch, der abhebt, aber diese Arbeit bringt einen irgendwie immer wieder zu den Wurzeln zurück. Wenn ich im Beruf bin und dann an die Hochschule gehe, um mit meinen Studenten im Zimmerchen zu arbeiten, leisten wir Basisarbeit, etwas, das ich persönlich im Beruf oft vermisse. Ich „quäle" meine Studenten oft mit irgendwelchen Dingen, und dann kommen die irgendwo hin und stellen fest, dass die Leute dort eher weniger Ahnung davon haben, dass es keinen interessiert, dass sie es eigentlich fast besser wissen. Diese Erfahrung habe ich selbst oft machen müssen. Man kommt irgendwo hin und ist von Leuten abhängig, die eher unwissend sind. Und das ist einfach frustrierend. Insofern ist es für mich eine schöne Aufgabe, die Studenten vorzubereiten und ihnen handwerkliches Können zu vermitteln. Als Darsteller ist Wissen Macht. Wenn ein Regisseur mit irgendwelchen Ideen zu dir kommt, kannst du mit ihm auf ganz anderer Ebene diskutieren und arbeiten. Es geht nicht darum, was besser oder schlechter ist. Es geht darum, was für dich das Richtige ist. Man muss nicht alles mitmachen.

Entstand so auch Ihr Interesse an Regiearbeit?
Ja, genau. Das Interesse war da, und beim Unterrichten habe ich gemerkt, dass es funktioniert. Also dachte ich mir, da könnte ja noch mehr gehen. Ich spielte in „Evita" in Coburg und wusste, dass der Intendant in der nächsten Spielzeit „Tell me on a Sunday" auf die Bühne bringen wollte. Ich habe ihn einfach gefragt, ob er schon einen Regisseur hat und ihm gesagt, dass ich das sehr gerne übernehmen würde. „Ja, dann los" war seine Antwort. So kam es dazu.

Durchlaufen oder durchliefen Sie auch hierfür eine Ausbildung?
Nein. Aber das kann man glaube ich auch nicht wirklich aus der Theorie heraus lernen. Also, natürlich gibt es Regieschulen und Regiestudium. Aber ich stehe seit 20 Jahren auf der Bühne und habe den ganzen Theaterbetrieb von der Pike auf kennengelernt. Es fing an mit Kinderchor und Statisterie. Mein Schulpraktikum habe ich in der Haustechnik der hiesigen Oper absolviert und zwei Wochen Bühnenbilder hin und her geschoben. Ich habe so viele Leute kennengelernt und mit so vielen gearbeitet, ich komme absolut aus der Praxis. Und ich bin davon überzeugt, dass dies für einen Regisseur der beste Ausgangspunkt ist.

Sind Sie jemand, der ganz gerne die Fäden in der Hand hält?
Absolut. Aber nicht, um Recht zu haben, sondern um das Beste aus einem Projekt zu machen. Aber das braucht es auch. Nichts ist schlimmer, als wenn da vorne ein Regisseur steht, der den Darstellern nicht vermitteln kann, was er will und warum er es will. Der Regisseur ist das Oberhaupt, er trägt die Verantwortung für alles. Und wenn dann kommt „frag doch nicht so viel", das geht gar nicht. Aber genau das habe ich oft erlebt. Und das ist halt nicht mein Ding. Insofern glaube ich, der Platz als Regisseur ist für mich gar nicht so schlecht.

Haben Sie „Tell me on a Sunday"bewusst als Regiedebüt gewählt?
Nein. Also, ich kannte und mochte das Stück, aber bewusst ausgesucht – nein. Es hat sich einfach gut ergeben. Und es war schön, dass es ein Ein-Personen-Stück ist, nicht gleich eines, bei dem ich 50 Leute und Chor und Ballett unter einen Hut bringen musste. Ich konnte klein anfangen, das mag ich eh. Ich bin kein Blender, der nach dem Motto ‚Hauptsache groß und alle finden's toll' agiert, sondern ich muss zuerst mit mir selbst klar kommen. Und natürlich mit den Darstellern. Ulrike Barz, die „Tell me on a Sunday" gespielt hat, kenne ich schon ewig. Wir haben im Jahr 2000 in Chemnitz „Fame" zusammen gespielt. So war die Zusammenarbeit sehr angenehm und sehr produktiv. Dass es nun dieses Stück war, war eher Zufall. Es gibt auch viele andere Stücke, die mich interessieren, aber die kennt kein Mensch und dann kommen eher weniger Zuschauer. Leider. Ich liebe zum Beispiel „A new Brain" von William Finn. Fantastisches Musical, tolle Musik. Aber wenn man das irgendwo liest, denkt man, was ist das denn? Diese „was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht"-Mentalität. Das ist leider so.

Sicher ist es etwas völlig anderes, ob man sich ein Stück als Darsteller oder als Regisseur erarbeitet. Was ist für Sie der wichtigste Unterschied?
Der Unterschied ist, dass ich als Darsteller zuerst meine ganzen Hausaufgaben machen muss. Am Anfang steht die technische Bewältigung einer Partie. Als ich zum Beispiel das erste Mal das Phantom gespielt habe, war ich wirklich sehr jung für die Rolle. Damals war ich nur damit beschäftigt, gesangstechnisch zu denken und zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun. Da war noch nichts mit Emotion. Vielleicht ein bisschen, was halt ging. Das meine ich mit Hausaufgaben. Als Darsteller muss ich erstmal meine Texte lernen, und zwar nicht nur meine eigenen, sondern auch die anderen Partien ringsum, damit ich weiß, wann ich dran bin und was um mich herum passiert. Die technische Bewältigung einer Partie muss sitzen, bevor es in die szenische Arbeit geht. Das ist sehr zeitaufwendig. Aber als Regisseur muss ich nicht vorne stehen und es singen können. Ich muss es auch nicht spielen können. Sondern als Regisseur muss ich den Plan haben, ich muss wissen, was ich eigentlich erzählen will - was interessiert mich an dem Stück, was ist die Kernaussage? Und dann muss ich mir Gedanken machen, wie ich dahin komme. Der nächste Schritt ist, zu überlegen, wie ich meine Darsteller dahin bringe, dass sie meine Ideen umsetzen können. Das ist die Arbeit eines Regisseurs. Als Darsteller muss ich das nicht machen, denn dafür habe ich ja den Regisseur, der mir erklärt, was er erzählen und was er in welchem Moment bewirken möchte. Die Umsetzung ist Aufgabe des Darstellers. Nur leider gibt es zu wenig Regisseure, die das so angehen. Als Darsteller bekommt man oft nur die Anweisung, bei einer bestimmten Musik an eine bestimmte Stelle zu laufen und die Hand zu heben. Und du stehst da und denkst ‚Äh, und warum mache ich das?'. Und als Antwort kommt dann nur allzu oft ein „frag doch nicht so viel". So. Das ist gar nicht so negativ gemeint wie es jetzt vielleicht rüberkommt. Aber oft ist es eben einfach so. Vor allem Regisseure, die nicht selbst als Darsteller auf der Bühne standen, wissen oft nicht, was diese brauchen. Wenn man aber die Darstellerseite auch kennt, dann weiß man das. Und deshalb – um nochmal auf die Ausbildung zurückzukommen – bin ich auch überzeugt, dass die Praxis die beste Ausbildung ist, um einschätzen zu können, was welcher Darsteller in welchem Moment von seinem Regisseur braucht.

Hilft es, wenn man selbst ein Stück schon gespielt hat, bei dem man Regie führt?
Man kennt das Stück dann halt schon. Ob das ein Vorteil ist? Einerseits schon, aber andererseits ist man dann auch in gewisser Weise voreingenommen, weil man natürlich noch weiß, wie es damals umgesetzt wurde. Man ist dann vielleicht nicht mehr so offen, den Text zu lesen und sich spontan eine Idee rauszuholen und eigene Ansätze zu finden. Teils ganz unbewusst hat man vor Augen, wie es damals lief, obwohl man es ja eigentlich anders machen möchte. Mir ist das bis jetzt noch nicht untergekommen. Bei „Die letzten fünf Jahre", das ich im September 2013 mit zwei Studenten der Leipziger Hochschule inszenieren werde, wird das aber der Fall sein. Und ich hoffe, das ausblenden zu können.

Stehen weitere Regieprojekte schon fest?
Ja. Ab September gibt es im Chemitzer Kabarettkeller die szenische Produktion von „Babytalk", mit Udo Eickelmann und Maike Switzer. Die beiden sind meine Idealbesetzung, das passt einfach perfekt.

Und auch neue Bühnenrollen?
Das bisher eher weniger. Ich habe auch „Dorian Gray" in Coburg abgesagt, einfach, weil alles auf einmal nicht geht. Das Einstudieren neuer Rollen ist immer extrem zeitintensiv. Aber bis September liegt der Schwerpunkt auf meinen beiden Regiearbeiten und auf der Arbeit für Heartmade Productions. Es gibt noch Termine für „Evita" in Kassel, wo ich ja den Magaldi spiele. Viele haben sich gewundert, dass ich diese kleine Rolle übernommen habe. Das war aber eine ganz bewusste Entscheidung - für mich ist das im Moment genau richtig. Auch bei „Chess" in Altenburg stehen noch Vorstellungen an. Zwischendurch sind noch ein paar Konzerte geplant. Und dann wird man sehen, was der Herbst bringt. Wer weiß, vielleicht Hamburg? Aber in diesem Jahr möchte ich auch verstärkt für meine Studenten da sein, die in einem Jahr ihre Diplomprüfungen ablegen. Und man muss sich auch einen zeitlichen Puffer lassen. 2012 kamen so viele Dinge kurzfristig dazu, die „Elisabeth"-Tour in Triest oder der „Graf von Monte Christo" in Leipzig. Die Produzenten der „Elisabeth"-Tour hatten damals angerufen und gefragt, wo ich denn gerade sei. Eine Viertelstunde später habe ich geprobt. Das macht natürlich Spaß, aber – ganz ehrlich – es war auch alles sehr viel. Dieses Jahr möchte ich auch mal zuhause sein.

 
Interview: Sylke Wohlschiess

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