Liebesgeschichte und Thriller:
Rezension "Ghost" in Linz
Ein junges Liebespaar, das durch einen tödlichen Schuss auseinander gerissen wird, ein ehrgeiziger Banker, der auf der Jagd nach dem ganz großen Geld auf Abwege gerät und mittendrin eine reichlich durchgeknallte angebliche Spiritistin, die zu Tode erschrickt, als sie eines Tages tatsächlich eine Stimme aus dem Jenseits hört.
Für "Ghost – Nachricht von Sam" wurde Autor Bruce Joel Rubin 1991 mit dem Oscar für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet. Mit Patrick Swayze und Demi Moore kam die ebenso spannende wie ergreifende Story im Jahr 1990 in die Kinos, 2011 in Manchester erstmals auf die Musicalbühne, 2016 dann in englischer Sprache nach Deutschland. Inszeniert von Matthias Davids zeigt das Landestheater Linz in Kooperation mit Stage Entertainment das Musical "Ghost – Nachricht von Sam" jetzt erstmals in deutscher Sprache.
Die sofort ins Ohr gehenden melodiösen Rock- und Popsongs, die Dave Stewart und Glen Ballard für "Ghost" komponierten, werden von der Band Black Beauty and Friends unter Musikalischer Leitung von Borys Sitarski vom ersten Moment an mit immenser Dynamik und Energie zu Gehör gebracht. Ergänzt wird die Partitur mit Gospel und Soul oder auch mal mit einer Rap-Einlage.
Für die englischen Songtexte hat Roman Hinze Worte gefunden, deren deutsche Sprachmelodie sich ausgesprochen gelungen an die Melodielinien fügt. Zugleich ist seine und auch Ruth Denys Übersetzung der Dialoge nie zu weit vom englischen Original entfernt.
Hans Kudlichs Bühnenbild und Michael Grundners Lichtdesign verbinden sich zu einem modern-puristischen Eindruck. Prägendes Bühnenelement sind flexible schmale, hohe Metallsäulen, die teils klappbar sind und dadurch Querverstrebungen bilden können. So entsteht das Loft, in das Sam und Molly einziehen oder - ergänzt mit Projektionen der New Yorker Wolkenkratzer direkt auf den Säulen - das Treppenhaus und der Lift des Bankgebäudes, in dem Sam und Carl arbeiten.
Auch andere Videoanimationen werden gezielt eingesetzt: Grüne Computercodes flimmern hektisch durchs Dunkel, als Carl erkennt, dass sein Betrug auffliegen wird. Lilafarbene Horoskopkreise verdeutlichen Oda Mae Browns Beruf. Sam als Geist ist in strahlendem Weiß ausgeleuchtet, was ihn auch optisch auf eine andere Ebene hebt.
Eingeschobene kleine Szenenbilder, wie Willie Lopez' heruntergekommene Bude oder die italienische Pizzeria, in der Sam und Molly den letzten gemeinsamen Abend verbringen, werden an den Bühnenrändern platziert. Blitzschnelle Szenenwechsel werden so ermöglicht.
Für Staunen sorgen Nils Bennetts verblüffende Illusionen: Geister, die durch Türen gehen und zwischen fahrenden U-Bahnen hin- und her springen, Gegenstände, die sich scheinbar nur durch Gedankenkraft bewegen oder Tote, die von geheimnisvollen Mächten in wilden Wirbeln (die Bösen) oder inmitten funkelnder Lichter (die Guten) ins Jenseits gezogen werden. All dies visualisiert nicht nur hervorragend das Zwischenreich der Geister, sondern verbindet sich auch harmonisch mit der Realitätsebene der Geschichte.
Zwischen diesen beiden Welten ist Sam Wheat nach seiner Ermordung hängengeblieben. Riccardo Greco wechselt gekonnt durch Sams Gefühlspalette und begeistert abwechselnd mit sanften, berührenden Tönen und sprühender Energie. Anfangs gibt er den lockeren, fröhlichen Sunnyboy, der die Worte "ich liebe dich" einfach nicht aussprechen kann. Es bleibt stets bei "dito". Mit seiner Elvis-Version der "Unchained Melody" hat er Molly aber schnell wieder für sich eingenommen.
Greco glänzt sowohl mit witzigem Spiel als auch gesanglich mit sauberen Übergängen in die Kopfstimme. Nach dem Überfall, bei dem Sam stirbt, findet er sich unversehens in einer Art Geisterwelt wieder. Entsetzen, Trauer und Fassungslosigkeit angesichts von Carls wahrem Charakter bringt Riccardo Greco vom ersten bis zum letzten Moment absolut authentisch auf die Bühne. Dies gilt auch für das durchweg harmonische Zusammenspiel mit Anaïs Lueken als Molly Jensen.
Zärtliche Blicke und vertraute Gesten, das verliebte Paar nimmt man beiden sofort ab. Als Sam so plötzlich von ihrer Seite gerissen wird, zerbricht Molly beinahe an ihrem Schmerz. Die tieftraurige Ballade "Du" interpretiert Lueken mit viel Gefühl, druckvoller setzt sie ihren klaren Sopran dann bei "Immer folgt ein neuer Tag" ein. Ebenso wie Greco gelingt es Anaïs Lueken, das Wechselbad der Gefühle ihres Bühnencharakters zu jeder Zeit fesselnd und realistisch zu vermitteln.
Sehr ablehnend steht Molly der schrillen Oda Mae Brown gegenüber, als diese mit den Worten "ich habe eine Nachricht von Sam" plötzlich vor ihrer Tür steht. Doch das ungeliebte Wörtchen "dito" überzeugt Molly von Sams Anwesenheit und öffnet auch der schrägen Überbringerin Tür und Herz.
Zodwa Selele punktet als exaltierte Wahrsagerin mit Powerstimme und herrlich pointiertem Spiel. Obwohl sie genau dies allen Klienten so richtig überzeugend vorgaukelt, erfasst sie totale Panik, als sie zum erstem Mal tatsächlich eine Stimme – Sams – aus dem Jenseits hört. Zur Höchstform läuft sie in der Bank auf, als sie in grellbuntem Glitzerkleid (sie hält es natürlich für vornehm) Sams nur für sie hörbare Anweisungen höchst bildhaft ausschmückt und dabei diversen Fettnäpfchen gerade noch so ausweichen kann. Mit Charme und Humor verdeutlicht Zodwa Selele, dass Oda Mae trotz ihres nicht eben tadellosen Lebenslaufs ein Mensch ist, der das Herz am rechten Fleck hat.
Bei Carl Bruner verhält es sich umgekehrt: Er gibt den rechtschaffenen Banker und verlässlichen Freund, verliert aber in seiner Gier nach Geld zusehends an Anstand und Fairness und rutscht letztlich vollends in die Kriminalität ab. Dabei ist er in der Regie von Matthias Davids kein per se mieser Charakter, was der Geschichte zusätzliche Spannung und Tiefe verleiht. Peter Lewys Preston ist für die Rolle des Carl Bruner eine perfekte Wahl. Er spielt klar heraus, dass dieser zwar nicht davor zurückschreckt, sich mit unlauteren Mitteln zu bereichern, aber Sams Tod nie gewollt hat und mit der sich zuspitzenden Situation komplett überfordert ist. Seine Handlungsweisen werden zunehmend von wilder Verzweiflung geprägt, was Preston auch stimmlich auszudrücken weiß.
Rob Pelzer mimt einen teils sarkastischen, teils hilfsbereiten Krankenhaus-Geist, der Sam die ersten Fakten des Geisterlebens näherbringt. Als rappender U-Bahn-Geist lehrt Gernot Romic Sam das "Fokussieren", das Bewegen von Gegenständen nur durch die Kraft seiner Gedanken. Romic überzeugt in dieser zwar kleinen, aber äußerst effektvollen Rolle mit genialem Schauspiel irgendwo zwischen Irrsinn, Coolness und Depression und hat mit einem Sprung in Richtung Orchestergraben den effektvollsten Abgang. Auch Mischa Kiek ist als Willie Lopez das perfekte Bild des Gangsters aus dem denkbar miesesten Milieu New Yorks.
Das gesamte Ensemble spielt und singt mit enormer Präsenz, überzeugt auch tänzerisch mit der perfekten Umsetzung von Lee Prouds schnellen Choreographien. Zeitgemäße Kostüme wählt Leo Kulaš: Schwarze Businessoutfits für die Banker, legere Alltagskleidung für Sam, Molly und Carl, irre Farben und Schnitte für Oda Mae. Die Geister, die sie belagern, tragen Kleidung aus der Epoche, aus der sie stammen.
Regisseur Matthias Davids zeichnet klare Charakterbilder sowohl der Haupt- als auch der Nebenrollen. Er vermeidet jegliche Rührseligkeiten und macht "Ghost – Nachricht von Sam" zu einem modernen, energiegeladenen Musical zwischen Thriller und Liebesgeschichte. Da ist – wieder einmal im Landestheater Linz – beste Unterhaltung auf hohem Niveau garantiert.
Text: Sylke Wohlschiess
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