Flotte Sohle unter freiem Himmel:
Rezension "Saturday Night Fever" in Tecklenburg
Ein gestählter Körper. Waschbrettbauch. Alexander Klaws nur in Boxershorts und die Damen im Publikum schmelzen dahin. Ulrich Wiggers’ Neuinszenierung von "Saturday Night Fever" auf der Freilichtbühne Tecklenburg hat viel fürs Auge zu bieten – damit ist aber nicht nur der Hauptdarsteller gemeint, sondern vor allem auch die neue Choreografie von Hakan T. Aslan. Generell ist bei der Show mit den zeitlosen Hits der Bee Gees nichts mehr wie es einmal war. Das Kreativteam hat die Story aus den 1970er Jahren ins Jahr 2016 transferiert. Und das ist größtenteils sehr gut gelungen.
Die Handlung ist insgesamt zwar so dünn, dass sie auf einen Bierdeckel passt, doch sind Probleme wie ungewollte Schwangerschaft oder Arbeitslosigkeit heutzutage noch genauso brandaktuell wie in den wilden Siebzigern – und so liegt es nahe, das Stück im Hier und Jetzt zu zeigen und damit einen neuen Weg zu gehen, wie man ihn Tecklenburg schon so häufig gegangen ist. Das Bühnenbild von Susanna Buller zeigt einen New Yorker Straßenzug, eine Brücke, einen Farbenladen und das doppelstöckige Haus der Familie Manero. Das alles fügt sich selbstverständlich nicht so nahtlos in die Tecklenburger Burgruine wie Bullers Bühnenbild für "Artus - Excalibur", ist aber allemal sehenswert und dient der Handlung – ebenso die zeitgemäßen Kostüme von Kartin Alberti.
Um dennoch ein bisschen Flair der 1970er Jahre zu erhalten und vielleicht auch, um ein Stück weit die Erwartungen des Publikums zu erfüllen, wurde der Tanzwettbewerb, um den es in "Saturday Night Fever" geht, zur 70er-Jahre-Mottoparty umfunktioniert. Ein netter Einfall, der aber recht ereignislos verpufft. Auch auf der musikalischen Seite gibt es eine Neuerung: Die Songs der Bee Gees wurden zum Teil neu arrangiert, lassen dadurch den typischen Discosound der Siebziger vermissen, werden aber vom Orchester unter der Leitung von Klaus Hillebrecht sehr frisch interpretiert.
Den Besuch lohnenswert macht vor allem die erstklassige Darstellerriege. Alexander Klaws in der Rolle des Tony Manero tanzt sehr gut und singt solide, während Nadja Scheiwiller als Stephanie Mangano fantastisch tanzt, sehr gefühlvoll singt und schauspielerisch mit Authentizität als Mädchen, das immer etwas mehr will, überzeugen kann.
Die stärkste Leistung bringt Thomas Hohler als Bobby C. Er ist tänzerisch fit, schmettert seine Songs mit Ausdruck und vermittelt mit emotionalem Schauspiel, in welch misslicher Lage sich Bobby befindet – eine überzeugende Leistung vom Anfang bis zum dramatischen Ende. Als wahre Stimmungskanone erweist sich Christian Schöne, der als DJ Monty stimmsicher und mit starker Bühnenpräsenz die großen Shownummern für sich zu nutzen weiß und dem Partyvolk in der Disco 2001 genauso wie dem Publikum ordentlich einheizt.
Ebenso kann die weitere Cast überzeugen – ob nun Lisa Kolada, die als Annette wunderbar singt, der schauspielerisch sicher agierende Mathias Meffert als Tonys Bruder Frank, Karim Ben Mansur und Andrea Luca Cotti als Tonys vulgäre Freunde Double J und Joey oder Thomas Schirano als Farbenladen-Besitzer Fusco. Anne Welte und Gernot Schmidt haben als Ehepaar Manero zwar sehr kleine Rollen, sind aber authentisch, wenn sie die verzweifelte Mutter und er den arbeitslosen, trinkenden Vater gibt.
Wer also einen beschwingten Abend unter freiem Himmel mit schöner Musik und hübsch anzusehenden Tanzszenen erleben möchte, wird bei "Saturday Night Fever" in Tecklenburg ganz sicher nicht enttäuscht. Das perfekte Pendant zum dramatischen "Artus – Excalibur".
Text: Dominik Lapp
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Darstellerprofil Thomas Hohler