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Solide Unterhaltung:
Rezension „My fair Lady" in Pforzheim

Spaniens Blüten gehören eindeutig zur Gattung Immergrün. Dabei hat George Bernard Shaw, Autor des zugrunde liegenden Theaterstücks „Pygmalion", die Genehmigung für die musikalische Umsetzung zu Lebzeiten verweigert – die erteilten erst seine Erben. Und das war offensichtlich die richtige Entscheidung. Denn nach der New Yorker Uraufführung von „My fair Lady" im März 1956 folgten knapp 3.000 Vorstellungen am Broadway, ab 1958 gab es auch im Londoner West End über 2.000 Mal „My fair Lady". Die Deutschlandpremiere fand 1961 in Berlin statt – und seither steht das „Musical Play" von Frederick Loewe (Musik) und Alan J. Lerner (Buch) landauf landab regelmäßig auf den Theaterspielplänen.

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Im Stadttheater Pforzheim gibt Jon Geoffrey Goldsworthy einen unglaublich überheblichen Phonetik-Professor Henry Higgins, der dem Blumenmädchen Eliza Doolittle die gepflegte Sprache der feinen Gesellschaft beibringen will. Nicht etwa aus Nächstenliebe, sondern schlicht und ergreifend aufgrund einer Wette mit seinem Freund Colonel Paul Pickering.

Goldsworthys Schauspiel ist brillant. Mit arrogant hochgezogenen Augenbrauen und herablassenden Gesten wähnt er sich in grenzenlosem Standesdünkel weit über der aus einfachsten Verhältnissen stammenden Eliza. Ohne auch nur die geringste menschliche Achtung ihr gegenüber ist Eliza für ihn nur ein Objekt, das ihm zum Gewinn seiner Wette verhelfen soll. Dass er für ihn selbst völlig unerwartet Gefühle für sie entwickelt, deutet Goldsworthy unterschwellig und sehr gelungen mit nur leicht veränderter Mimik und Haltung an. Bei „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht" kommt diese Verwunderung über sein eigenes Empfinden mit samtweichem Bariton auch stimmlich sehr schön zum Ausdruck.

Mit stattlicher Gestalt, ehrfurchtgebietender Haltung und tiefer, sonorer Stimme ist Klaus Geber ein Colonel Pickering wie aus dem Bilderbuch. Stets spricht er Eliza mit einem höflichen „Sie" an und bringt ihr, ganz Kavalier der alten Schule, zumindest ein Mindestmaß an Höflichkeit entgegen. Auch weist er Schnösel Higgins in seine Schranken, wenn dieser Eliza mit seiner Lehrtätigkeit bis zum Rand der Erschöpfung triezt.

myfairlady02Eliza verwehrt sich anfangs nicht gegen die herablassende Behandlung durch Higgins, fest hat sie ihr Ziel eines eigenen Blumenladens vor Augen, das sie nur erreichen kann, wenn sie sich besser auszudrücken weiß. Franziska Tiedtke wird vom frechen Gassenmädchen mit Berliner Schnauze zur eifrigen Schülerin und freut sich mit glockenklarem Sopran bei „Es grünt so grün", dass ihre Sprechweise Higgins Ansprüchen nun endlich genügt. Sie realisiert, dass sie sich in ihn verliebt hat und tanzt mit Higgins' Morgenmantel im Arm glückselig für sich allein. Dabei strahlt Tiedtke eine wunderbare Fröhlichkeit und Leichtigkeit aus. Locker perlen die Töne bei „Ich hätt' getanzt heut' Nacht", ideal passt ihre klassisch ausgebildete Stimme zu den operettenhaften Melodien. Auch Elizas Enttäuschung, als die Herren ihren Erfolg beim Ball nicht etwa mit ihr gemeinsam feiern, sondern sie völlig ignorieren, bringt Franziska Tiedtke mit temperamentvoll geworfenen Hauspantoffeln glaubhaft zum Ausdruck. Warum Eliza letztlich nicht lieber den sie anbetenden Freddy wählt, erschließt sich nicht wirklich, was aber hauptsächlich am Buch des Musicals liegt, das im Gegensatz zur Schauspielvorlage ein Happy-End zwischen Higgins und Eliza vorsieht.

Edward Lee als Freddy Eynsford-Hill spielt sehr überzeugend den jungen Adligen, der sich von der ungewöhnlichen Eliza geradezu magisch angezogen fühlt. Sein strahlender Tenor macht das in deutsch startende, dann in Lees Muttersprache englisch übergehende „On the Street where you live" zu einem der gesanglich schönsten Momente. In den kleineren Rollen glänzen vor allem Katrin Rehberg als Haushälterin Mrs. Pearce mit herrlichem schweizerischen Akzent, Heidemarie Brüny als Mrs. Higgins, die trotz ihrer gehobenen gesellschaftlichen Stellung Eliza offen gegenübertritt und - gleich in zwei Rollen - Heidrun Schweda: als Freddys Mutter und beim Ball mit dem salbungsvollem Gehabe der Monarchin als Königin von Transsylvanien. Auch Matthias Degen als Elizas Vater gefällt mit „'nem kleenen Stückchen Glück".

Es wird ohne Mikrofon gesungen, was leider zur Folge hat, dass in einigen Passagen das Orchester die Singstimmen übertönt. Bei der Tontechnik gibt es auf jeden Fall Optimierungsbedarf. Dass die Inszenierung von David Gravenhorst vor allem im zweiten Akt an Fahrt verliert, liegt aber weder an den durchweg guten Akteuren noch am Orchester, das unter Leitung von Tobias Leppert die altbekannten Melodien frisch und unverbraucht klingen lässt. Da jedoch sehr viele Zwischenmusiken bei zugezogenem Vorhang die teils recht geräuschvollen Umbauten überbrücken müssen, zieht sich der Ablauf, was fast schon Langeweile aufkommen lässt. Schade, zumal das Bühnenbild von A. Christian Steioff, wenn es dann endlich zu sehen ist, bis auf das überlebensgroße Bild von Shaw in Higgins dunkel möbliertem Herrenzimmer nur wenige kreative Einfälle aufweist. Zwar turnen vor den Säulen des Covent Garden einige Artisten, aber ein Blumenmarkt gänzlich ohne Blumen wirkt doch reichlich karg. Big Ben hängt an der Rückwand (und reicht seltsamerweise nicht ganz bis zum Boden), ein Pavillon und ein weißer Lattenzaun schaffen Pferderennbahn-Ambiente. Aber auch dort hätte eine detailreichere Ausstattung dem Bühnenbild gut getan und die Atmosphäre des Stücks besser visualisiert. Dennoch erlebt man mit „My fair Lady" in Pforzheim solide Unterhaltung und einen vergnüglichen Theaterabend.


Text: Sylke Wohlschiess

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... und hier noch einige Szenenfotos aus "My fair Lady":

 

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